Wenn Helfer sich plötzlich abwenden …

Manfred Evertz

Kennen Sie Menschen, mit denen Sie über alles sprechen können, die Ihnen zuhören, dabei interessiert nachfragen und Sie nicht für das verurteilen, was Sie tun oder sagen? In einer Psychotherapie sollte es eigentlich genau so sein. Entscheidend für den Aufbau einer funktionierenden Arbeitsbeziehung sei es, dass Therapeuten ihren Patienten wertschätzend, empathisch und zugleich kongruent begegnen, weiß man spätestens seit Carl Rogers. Auf diese Weise erleichtern sie es diesen, Vertrauen zu fassen und konstruktiv an der Entwicklung ihrer Persönlichkeit bzw. an der Lösung ihrer Probleme zu arbeiten.

Bereits Frederick Kanfer, Professor für Psychologie an der University of Illinois und ein Pionier der Verhaltenstherapie, betonte die Bedeutung der therapeutischen Allianz. Seither ist es nahezu unbestritten, dass die funktionierende Zusammenarbeit von Patient und Therapeut einen wesentlichen Einfluss auf die Wirksamkeit einer Psychotherapie hat.

Edward S. Bordin, Professor für Psychologie und Pädagogische Psychologie an der University of Michigan, postulierte 1979 drei zentrale Bestandteile, die eine therapeutische Allianz ausmachen:

  1. die Entwicklung einer emotionalen Bindung (Bond)
  2. die Übereinstimmung bezüglich der Therapieziele (Goals) und
  3. die Übereinstimmung, was die therapeutischen Aufgaben betrifft (Tasks).

Unter „emotionaler Bindung“ verstand er, dass die gemeinsame Arbeit auf Vertrauen und gegenseitiger Verpflichtung basiert. Zudem sei es zentral, eine Übereinstimmung bezüglich der anzustrebenden Therapieziele zu finden, die angewandten Interventionen oder Techniken abzustimmen und die Rahmenbedingungen sowie die Regeln der Therapie zu vereinbaren.

Besonders wichtig wird die „emotionale Bindung“ vor allem dann, wenn es um die Behandlung psychischer Störungen geht, deren Ursprung in der mangelnden Einfühlung bzw. in einer unangemessenen Zuwendung der Eltern oder wichtiger Bezugspersonen liegt. Beim Reparenting bspw. soll seitens des Therapeuten die schädigende Wirkung verinnerlichter elterlicher Bilder oder Repräsentanzen mittels einer korrektiven Atmosphäre zwischenmenschlichen Kontaktes verändert und jene Beziehungsqualitäten zur Verfügung gestellt werden, die zur Ausbildung einer starken Persönlichkeitsstruktur notwendig gewesen wären. Hierbei müssen allerdings sämtliche Formen der Zuwendung in Worten, Blicken oder Berührungen innerhalb des therapeutischen Rahmens liegen und dürfen keinerlei missbräuchlichen Charakter annehmen. Das Wahren einer professionellen Distanz ist also unabdingbar.

Auf der Webseite der Bundespsychotherapeutenkammer (BptK) findet sich hierzu ein passendes Zitat ihres Präsidenten Prof. Dr. Rainer Richter: „Die Beziehung zwischen Patient und Psychotherapeut ist durch eine besondere emotionale Intensität und Offenheit gekennzeichnet. Der Erfolg einer Psychotherapie hängt entscheidend vom Vertrauen in diese Beziehung ab.“

Manfred Evertz

So weit, so gut. Nun mag es allerdings Menschen geben, die Derartiges nicht gewohnt sind und deshalb besonders empfindsam darauf reagieren. Die empathische Zuwendung, die nahezu unerlässlich ist, kann irritieren oder verunsichern. Beim Bewirken einer Gefühlsaktualisierung bzw. Regression können aber auch emotionale Reaktions- und Verhaltensmuster abgerufen werden, die mit einer bedauerlich unzulänglichen Impulskontrolle einhergehen. Nicht selten wird die therapeutische Beziehung mit entsprechend „pathologischer Energie“ vereinnahmt bzw. werden Therapeuten zu Erfüllungsgehilfen frühkindlicher Bedürfnisse auserkoren. Solange diese damit professionell umgehen, ist das zwar kein Problem, leider aber scheint dies nicht immer möglich zu sein. Das oben erwähnte Vertrauen kann demnach auch deshalb schwinden, weil Therapeuten eben keine Roboter sind.

Da macht jemand nur einen Job.“

Im Verlauf einer Psychotherapie entsteht also eine Quasi-Beziehung zu einem Menschen, der sich als Privatperson kaum zu erkennen geben bzw. sich seiner beruflichen Rolle stets bewusst bleiben sollte. Es stellt sich dann leicht die Frage, ob die damit einhergehende Zuwendung nur ein Mittel zum Zweck ist („erfolgreiche Behandlung“) oder ob man sich als Patient wirklich wertgeschätzt und angenommen fühlen darf? Wie sehr darf man sich auf eine derartige Begegnung freuen? Wie intensiv dürfen die Gefühle sein, die man seinem Therapeuten oder seiner Therapeutin entgegenbringt?

Manfred Evertz

Selbstzweifel, Gefühle von Scham oder Schuld (bspw. bei möglichen Grenzüberschreitungen) sowie inadäquate Reaktionsmuster von Patienten, können im therapeutischen Rahmen beleuchtet und zielgerichtet aufgearbeitet werden. Das erfordert allerdings eine professionelle Handhabung, vor allem denn, wenn es aufgrund der Intensität der oben genannten Emotionen zu Störungen auf der Beziehungsebene kommt. Übermäßig zum Ausdruck gebrachte Idealisierung bzw. Verehrung, regressive Verhaltensmuster, ebenso wie das Gefühl, einer Gegenübertragung oder projektiven Identifikation ausgeliefert zu sein, können beängstigend sein. Verunsicherung entsteht dann von Zeit zu Zeit nicht nur hinsichtlich der psychischen Stabilität der Patienten. Kommen Therapeuten deshalb zu der Einschätzung, einen therapeutischen Prozess nicht mehr hinreichend steuern zu können bzw. als Person zu stark von einem Patienten vereinnahmt zu werden, führen entsprechende Eingeständnisse fachlicher oder persönlicher Grenzen in der Regel zu einer vorzeitigen Beendigung bzw. zum Abbruch der Therapie. Obwohl das vollkommen legitim und zu befürworten ist, können die Folgen für die Hilfesuchenden fatal sein: Jetzt haben sie endlich einmal Vertrauen aufgebaut, und schon wieder werden sie enttäuscht. Noch schlimmer ist es, sollten Therapeuten zu vergleichbaren Übergriffen neigen.

Derlei Erfahrungen erschweren den ohnehin schon beschwerlichen Weg noch mehr. Wie viel Kraft muss jetzt aufgebracht werden, um sich erneut auf eine vergleichbare Beziehung einlassen zu können? Der Angst davor, erneut zurückgewiesen zu werden, folgt nicht selten eine emotionale Verhärtung, die zwar eigentlich nur dem eigenen Schutz dient, aber unangenehme Begleiterscheinungen mit sich bringt. Mit der nun spürbar werdenden Einsamkeit, Trauer bzw. mit dem Gefühl, abermals verlassen worden zu sein, müssen die Patienten daraufhin allein zurechtkommen. Die Konsequenz davon kann Verbitterung oder sogar ein finaler Rückzug mit dem Fazit sein: „Mir kann ohnehin nicht geholfen werden.“

Archaische Verstrickungen?

Nicht nur in einer Psychotherapie, sondern eigentlich überall dort, wo Menschen sich um die Sorgen anderer Menschen kümmern, entsteht eine besondere Form der Nähe und – wird diese eine gewisse Weile ausgehalten – eine zwischenmenschliche Beziehung, die sich für die Beteiligten jeweils anders darstellt. Selbst wenn der Rahmen professionell abgeklärt ist und sich zudem um Transparenz bemüht wird, kann sich die ein oder andere Perspektive manchmal sehr verengen und eben auch Unbeholfenheit zur Folge haben.

Manfred Evertz

Zum Glück aber ist jede Beziehung anders. Da auch Therapeuten nur Menschen sind, verhalten sie sich eben auch wie solche, und zwar jeder anders. Das gilt gleichermaßen für die Patienten. Wie sich eine Bindung im therapeutischen Rahmen gestaltet, ist also auch in Anbetracht aller gängigen Lehrmeinungen stets ganz individuell. Ebenso ist es mit dem Abschied. Zu wünschen ist es folglich, dass beide Seiten dies stets bedenken, Therapeuten also achtsam und aufrichtig mit ihren Grenzen umgehen sowie mit dem, was ihnen begegnet, und Hilfesuchende sich niemals ihre Zuversicht nehmen lassen.

Zitat aus „Siddhartha“ von Hermann Hesse: „Anders sah er jetzt die Menschen an als früher, weniger klug, weniger stolz, dafür wärmer, dafür neugieriger, beteiligter.“

PS: Auf der Seite aerzteblatt.de finden Sie einen Artikel mit dem Titel Patientenbeschwerden in der Psychotherapie: Sie werden ernst genommen, der im März 2013 erschienen ist. Erläutert wird hierin das strukturierte Beschwerdemanagement am Beispiel der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen.

Literaturhinweis:

  • Bordin, Edward S. (1979). The generalizability of the psychoanalytic concept of the working alliance. Psychotherapy: Theory, Research and Practice, 16, 252–260.

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Beziehungsfähigkeit und Menschwerdung – Interview mit Prof. Dr. Josef Aldenhoff

Prof. Dr. Josef Aldenhoff

Prof. Dr. Josef Aldenhoff war viele Jahre Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Heute ist er vorrangig als Psychotherapeut, Coach, Berater und Autor tätig.

In „Bin ich psycho … oder geht das von alleine weg?“ klärte er in einer leicht verständlichen Sprache über die grundlegenden Reaktionsformen unserer Seele auf und ging der Frage nach, ob das, was man empfindet, denkt und wahrnimmt normal, noch normal oder bereits pathologisch ist, und wie man damit umgehen kann? Dabei orientierte er sich an jenen Empfindungen und Wahrnehmungen, mit denen die betroffenen Menschen sich konfrontiert und oftmals allein gelassen fühlen. In seinem neuen Buch mit dem Titel „Ich und Du – warum?“ geht es um Beziehungen, was sie schwierig macht bzw. wie sie gelingen können.

Sie haben nach Ihrem Studium der Humanmedizin eine Weiterbildung zum Nervenarzt am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München und am Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren absolviert. Was hat Sie damals dazu motiviert?

„Am Max-Planck-Institut für Psychiatrie arbeitete ich seit 1974 in verschiedenen Arbeitsgruppen, die – lange vor der decade oft he brain – von dem fasziniert waren, was man mit den neuen Methoden über das Gehirn herausfinden konnte: Bewusstseinsforschung in der Neurologie, wie entstehen Depressionen, neue Ansätze zu Essstörungen in der Psychiatrie und vor allem: die Untersuchung einzelner Nervenzellen in der experimentellen Neurophysiologie. Wir haben an Schneckenneuronen angefangen, wie übrigens auch der 2000 mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Eric Kandel und sind zu Untersuchungen am Hippokampus-Schnittpräparat übergegangen. Es ist auch heute noch absolut faszinierend, was eine einzelne Nervenzelle alles kann, von der Informationsaufnahme zur Integration ganz unterschiedlicher Funktionszustände!

Parallel zu diesen neuen Forschungsansätzen begann man damals auch die Praxis der Psychiatrie zu verändern. Die „Psychiatrie-Enquete über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland“ wurde 1975 unter anderem von meinem späteren Lehrer Heinz Häfner veröffentlicht und hat in den nächsten 20 Jahren zu einer grundlegenden Verbesserung der psychiatrischen Versorgung geführt. Mich persönlich hat mich interessiert, wie sich dieser Veränderungsprozess in einem psychiatrischen Landeskrankenhaus auswirkte, in dem der damalige charismatische Chef, Michael von Cranach, ganz neue, liberalere Strukturen in die Psychiatrie einführte.“

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, das Buch „Bin ich psycho … oder geht das von alleine weg?“ zu schreiben?

„Ich war im Ruhestand angekommen und entdeckte, dass ich in meiner persönlichen „Kernzeit“ meiner Kreativität, zwischen 6:00 und 11:00 nichts zu tun hatte. Irgendwann fand ich mich schreibend wieder und erklärte einem fingierten Gegenüber die Psychiatrie.

Ich hatte nie verstanden, warum die Menschen, Patienten und andere, sich ausgerechnet ihrer eigenen Seele gegenüber so ignorant anstellten. Ein Grund war vielleicht, dass Psychiatrie und Psychotherapie mit zugegebenermaßen sehr komplexen Erklärungsmodellen arbeiten. Und deswegen habe ich mich bemüht, verständlich zu schreiben. Das war gar nicht so einfach! Ich hatte meine Texte zum Gegenlesen einer früheren Studienkollegin geschickt, einer Dermatologin, die also in einem ganz anderen Fach tätig ist. Wenn ich der Meinung war, dass ich schwierige Zusammenhänge sehr klar erklärt hätte, kam ziemlich oft der Kommentar: „Das versteht kein Mensch! Kannst Du das nicht anders formulieren?“ Nur wenn Sie wenigstens ungefähr verstehen, wie Ihre Seele normaler Weise und vor allem in ihren Störungen „funktioniert“, können Sie sich selbstbestimmt verhalten. Das ist für mich das Wichtigste in dieser Welt der hoch vernetzten Abhängigkeiten: selber mitreden zu können, was mit mir im Falle von Krankheit und Bedürftigkeit passiert.“

Welche Resonanz gab es im Zusammenhang mit dieser Veröffentlichung?

„Die Resonanz war durchwegs positiv. Das fand ich schon irgendwie überraschend, bei einem Buch von einem Psychiater. Viele Betroffene sagten oder schrieben, dass sie froh seien, endlich zu verstehen, was mit Ihnen los sei. Und wenn ich dann sagte, diese Zusammenhänge müssten sie doch von ihrem Psychiater längst erklärt bekommen haben, dann kam oft die Antwort, auf die Wartezeiten hätten sie nicht warten können, weswegen sie von ihrem Hausarzt behandelt worden seien. Insgesamt haben die Ärzte in unserem high-speed Gesundheitssystem wohl wenig Zeit zum Reden.“

Welches Erlebnis hat Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit als Psychotherapeut und Psychiater am stärksten beeindruckt?

„Wie viel sich mit Sprechen, mit Gesprächen bewirken lässt, – wenn man im rechten Moment das Richtige sagt und der Andere auch zuhören kann. Und was es bringt, wenn ein Mensch mit einer seelischen Störung eben diese Störung zu verstehen lernt. Deswegen ist Psychoedukation so ein wirksames Konzept. „Bin ich psycho?“ ist irgendwie auch ein Psychoedukations-Buch.“

Gibt es auch eine Erfahrung (oder mehrere), die Sie sich lieber erspart hätten?

„Oh ja. Die Medizin und auch gerade die Psychiatrie haben sich enorm entwickelt. Wir könnten heute vieles für das Wohlergehen der Einzelnen tun, wovon wir vor 30 Jahren nur geträumt haben. Aber das wird nicht oder nur ganz selten umgesetzt. Wir erleben heute, wie das Diktat des Geldes die Medizin kaputt macht. Das gilt besonders für die sogenannte „sprechende Medizin“ zu der auch die Psychiatrie gehört.

Im ambulanten Bereich führt das gültige Abrechnungssystem dazu, dass Menschen, die richtig in Not sind, kaum die Chance bekommen, mit einem erfahrenen Therapeuten zu sprechen, dass sie Wochen und Monate warten müssen und das bei Problemen, bei denen Sie und ich keinen Tag warten wollen. Und im Bereich der stationären Medizin gibt es das immer mehr um sich greifende Prinzip, dass große Krankenhäuser an börsennotierte Unternehmen verkauft werden. Und die tun eben, was ein börsennotiertes Unternehmen tun muss: sie ziehen das Geld raus. Die medizinische Qualität ist danach. In einer norddeutschen Großstadt hat dieses Prinzip ein Ausmaß erreicht, dass Sie froh sein können, wenn Sie sich nicht stationär behandeln lassen müssen.

Wir machen heute nicht die gute Medizin, die wir nach dem Stand der Forschung machen könnten, sondern das, was uns die Finanzverwalter noch erlauben, sprich, das was übrig bleibt, wenn genügend Geld verdient wurde.“

Gibt es eine psychische Erkrankung, die Sie fachlich oder persönlich besonders interessiert?

„Am meisten habe ich mit Depressionen und Angststörungen zu tun, aber es ist schon das ganze Spektrum, auch die bipolaren oder schizophrenen Störungen, was mich interessiert. Und natürlich die Traumatisierungsfolgen, Störungen die in unserer Gesellschaft so häufig geworden sind, obwohl sie vermeidbar wären. Am meisten fasziniert mich, wie stark sich die Individualität auswirkt, jede/r ist anders. Das fängt bei Resilienz und Umgangsstilen an und hört bei den Medikamentenwirkungen auf. Ich staune immer wieder.“

Sie sind auch als Paartherapeut tätig. Was motiviert Sie, sich ausgerechnet mit diesem Themenkomplex zu befassen?

„Wir sind soziale Wesen. Aber unsere ererbten Verhaltensmuster sind in einer Zeit entstanden, in der es schon gewaltig lange war, wenn ein Paar fünf oder gar 10 Jahre zusammenleben konnte. Wenn wir heute lange Beziehungen realisieren wollen, müssen wir uns anstrengen, all unsere Intuition und unsere Stresstoleranz und unseren Erfindungsreichtum aktivieren, damit wir eine Chance haben. Gute Beziehungen sind eine Herausforderung, nichts worauf wir einen Anspruch haben.

Und es ist sehr dankbar, mit Paaren zu arbeiten, weil oft schon geringe Veränderungen im Umgang miteinander etwas Nachhaltiges bewirken können.

Leider zahlen die Kassen Paartherapie nicht, obwohl es viele Befunde gibt, dass gute Beziehungen die Gesundheit verbessern, schlechte die Empfindlichkeit auch für körperliche Krankheiten verstärken.“

Ihr neues Buch trägt den Titel „Ich und Du – warum?“ Wie sind Sie auf diesen Namen gekommen?

„Ich will deutlich machen, dass Zweisamkeit, gute Zweisamkeit etwas Kostbares ist. Dass Sie sich lieber fragen sollten, warum Sie diese Beziehung leben wollen, als dass Sie einfach vor sich hin wurschteln. Übrigens auch, ob Sie wirklich Kinder bekommen wollen, als einfach in die Produktion einzusteigen.“

Worum geht es in diesem Buch?

„Ist das nicht eine ziemlich umfassende Frage? Aber, okay: ich zeige zum Beispiel, wie eng Beziehungsfähigkeit und Menschwerdung zusammenhängen. Das gilt für die Entwicklung der Menschheit, die so wahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre, wenn beim Menschen nicht schon die Babys herausfinden könnten, wer für sie gut und wer für sie schlecht ist. Dadurch bekamen die Mütter die Möglichkeit, ihre Babys in die Obhut anderer zu geben, Großmütter, ältere Frauen aus dem Stamm, und sich nun an der Jagd, an der Nahrungssuche zu beteiligen, oder das nächste Kind zu bekommen. Das ist eine Besonderheit der Menschen, die uns nächsten Menschenaffen scheinen das nicht zu können.

Es gilt aber auch für jeden einzelnen Menschen, für jedes Individuum. Nur wenn wir als Kinder die adäquate Zuwendung bekommen, um eine gute Bindungsstruktur zu entwickeln, können wir später befriedigende Beziehungen leben, befriedigend für uns und die anderen.

Die wichtigste Aussage ist vielleicht, dass Beziehungen nicht selbstverständlich sind, obwohl der erste Kontakt fast automatisch passiert. Ich rege die Leser an, zu überlegen, wie sie es mit der Liebe halten wollen, mit dem Sex, mit den unvermeidlichen Krisen, aus denen beides, eine reifere Beziehung oder das Beziehungsende werden kann.

Die Struktur sieht so aus, dass ich Wissensvermittlung und meine Gedanken zu Liebe und Beziehung in getrennten Kapiteln anbiete. Dann gibt es viele Zitate von mehr oder weniger Prominenten: ich finde es erstaunlich, wie individuelle Beziehungen gelebt werden, und das von Personen, denen wir das so gar nicht zugetraut hätten. Das vierte Element sind fingierte Paargespräche zwischen ihr, ihm und einem Therapeuten.“

Haben Sie eine Art Lebensmotto oder Handlungsmaxime?

„Das Leben ist ein Geschenk, immer unerwartet, nie für immer.“

Gibt es etwas, das Sie den Lesern dieses Artikels gern mit auf den Weg geben möchten?

„Vertrauen Sie auf sich, auf Ihre Individualität, auf Ihre Gefühle. Sie sind einzigartig und nur Sie sind wichtig. Wenn Sie nicht klarkommen, suchen Sie sich eine Therapie, eine, die für Sie stimmt. Menschen sind wichtig, nicht das Geld.“

Über den Autor:

Josef Aldenhoff ist 1948 in Dresden geboren und wuchs seit seinem 3. Lebensjahr in München auf. Er wollte eigentlich Chirurg werden, aber dann hat ihm das Sprechen mit den Menschen besser gefallen. Nach der Ausbildung in Neurobiologie, Psychiatrie und Psychotherapie begann er seine ärztliche Laufbahn am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München und am Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren. Nach verschiedenen Stationen in Deutschland und den USA wurde er 1995 als Professor für Psychiatrie und Psychotherapie und als Klinikdirektor an die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie nach Kiel berufen, wo er über die Jahre bis zu seiner Emeritierung eine alle wesentlichen psychiatrischen Störungen behandelnde Versorgungsklinik aufbaute.

Seit 2004 leitete er als Medizinischer Geschäftsführer in Hamburg das Pilotprojekt einer universitären gGmbH, mit wirtschaftlichem wie inhaltlichem Gewinn, aber auch der klaren Erkenntnis, dass der Sinn der Medizin die Behandlung, Erforschung und – mit Glück – Heilung menschlicher Krankheiten ist und definitiv nicht das Geldverdienen oder die Erfüllung von Anforderungskatalogen von Verwaltungen. Da er sich mit dieser Auffassung in einer Minderheitenposition befand, ist er im April 2012 in den vorzeitigen Ruhestand gegangen und schreibt seitdem Bücher, behandelt Patienten und berät Kollegen und Kliniken. Weitere Informationen finden Sie auf seiner Webseite: www.josef-aldenhoff.de.

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