Rezension: „Trauer erleichtern“ von Dr. Klaus Witt

Wie kann man es schaffen, mit einem verstorbenen Menschen weiterzuleben? In diesem Ratgeber werden zahlreiche Tipps zum Umgang mit Trauer sowie Hilfestellungen für die Arbeit mit Trauernden gegeben.

Der Psychologische Psychotherapeut Dr. Klaus Witt schreibt also über ein Thema, das jeden von uns irgendwann mal betrifft und über das in der Regel nicht allzu gern gesprochen wird. Wie wird in unserer Gesellschaft mit Trauer und Trauernden umgegangen? Was bedeutet es, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen, und wie kann es gelingen, Menschen in diesem schwierigen Prozess zu unterstützen?

Zunächst greift der Autor jene Fragen auf, mit denen sich Hinterbliebene oftmals quälen. Vieles davon kam mir durchaus bekannt vor. Da es tatsächlich in vielen Fällen ganz ähnliche Themen sind, die im Rahmen einer Trauerbegleitung zur Sprache kommen, sollte man sich auf einen Dialog vorbereiten, in dem diese besprochen bzw. bearbeitet werden können. Die Hinweise, die hier gegeben werden, korrespondieren alle mit meinem Empfinden.

Im zweiten Kapitel werden zunächst verschiedene Modelle vorgestellt, die in der Trauerbegleitung eine Rolle spielen. Hierbei geht es vor allem um Stufenmodelle der Verlustverarbeitung, wobei der Autor hervorhebt, dass man sich in seiner Trauer keinem Modell und auch keiner Phase anpassen müsse, sondern die Möglichkeit bestehe, sich dem eigenen Weltbild entsprechend konstruktiv damit auseinanderzusetzen.

Unterhaltsam fand ich jene Passagen, in denen der Autor darüber berichtete, wie mit Trauernden im Rahmen einer Beratung umgegangen werden sollte bzw. wird. Natürlich ist es wenig hilfreich, jemandem zu sagen, er solle den Menschen, der verstorben ist, vergessen oder doch endlich „loslassen“. Ebenso wenig sei es sinnvoll, sich wieder und wieder – im Sinne einer ständigen Retraumatisierung – emotional mit dem Verlusterlebnis zu befassen. Eine Wunde, an der man ständig kratzt, heilt schließlich auch nicht wirklich zu. Warum es aber überhaupt so ist, dass man Betroffenen erzählt, wie sie mit ihrer Trauer umgehen sollten, erstaunt mich schon allein deshalb, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass es ohnehin besser ist, wenn man seine Klienten durch gezielte Fragen dabei unterstützt, eine individuelle Bewältigungsstrategie zu entwickeln. Die Phasenmodelle (von Elisabeth Kübler-Ross, Verena Kast etc.) könnten in diesem Zusammenhang zwar erläutert werden, was aber m. E. nur wenig Sinn macht. Wen interessiert es schon, wie „man“ Trauer empfindet und wie ein entsprechender Prozess vielleicht im Normalfall abläuft, wenn der persönliche Schmerz gerade ganz akut ist?

Besonders interessant für mich waren die vorgestellten Methoden, die eingesetzt werden können, um den Verlust zu bewältigen. Um mir einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, habe ich mich beim Lesen in eine Zeit zurückversetzt, in der ich gerade mit dem Tod eines engen Freundes konfrontiert war, und die Instruktionen der verschiedenen Übungen so befolgt, als wäre ich der Trauernde. Dabei konnte ich einige Strategien entdecken, die ich tatsächlich angewendet habe, um mit der damaligen Situation umzugehen. Mit anderen hingegen hatte ich erhebliche Schwierigkeiten. Als ich mich bspw. mit den Fragen beschäftigte, die „The Work“ von Byron Katie entnommen sind, fühlte ich mich in meinem Schmerz nicht ernst genommen. Obwohl ich diesen Ansatz selbst schon einmal in einem Seminar besprochen und im Rahmen einer praktischen Übung überraschend gute Erfahrungen damit gemacht habe, konnte ich mit der hier beschriebenen Vorgehensweise nicht viel anfangen. Die Erläuterungen waren mir zu knapp.

Neugierig machte mich hingegen die Technik des Trauerpanoramas. Eine ähnliche Übung führe ich gelegentlich durch, wenn es zweckmäßig erscheint, sich das soziale Netzwerk („Mit wem habe ich wie viel Kontakt?“) meiner Klienten anzuschauen. Neu war es mir, nun auch die Verstorbenen mit einzubeziehen. Da ich allerdings hinsichtlich der Methodik Bedenken hatte, habe ich die Instruktionen in meinem Unterricht einfach mal vorgelesen und meine TeilnehmerInnen darum gebeten, sie zu befolgen. Anschließend haben wir eine anregende Diskussion darüber geführt. Dabei zeigte sich, dass es hier und da einen enormen Interpretationsspielraum gab, der allerdings nicht als störend empfunden wurde. Das Fazit war also durchweg positiv.

So schön einige der vorgestellten Methoden auch sind, am meisten hat es meinen Klienten bislang wohl geholfen, wenn ich ihnen einfach zugehört bzw. und den Raum gegeben habe, über die schönen und schmerzvollen Momente zu sprechen, die sie in der Beziehung zu dem Verstorbenen erlebten. Trotzdem ist es gut, jetzt noch einige weitere Tools zu kennen.

Die wesentlichen Aspekte, die im Rahmen einer Trauerbegleitung eine Rolle spielen, werden in diesem Buch aufgegriffen und kritisch diskutiert. Auch die bekanntesten Phasenmodelle werden in Kürze besprochen. Zudem finden sich etliche Methoden darin, die sich dafür eignen, einen Trauerprozess zu begleiten. Einige davon gefallen mir persönlich sehr gut, andere hingegen weniger. Aber das ist wohl nicht ungewöhnlich. Jedenfalls bietet der Autor in diesem Buch eine bunte Mischung bzw. eine facettenreiche Sammlung von Methoden an, aus der sich jeder das heraussuchen kann, mit dem er oder sie arbeiten möchte.

Dr. Klaus Witt (2018). Trauer erleichtern. Wie Sie mit Verstorbenen weiterleben. psymed-verlag.

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