Rezension: „mini-handbuch Gruppendynamik“ von Olaf Geramanis

“Die  zunehmende Komplexität der Aufgaben führt in Unternehmen dazu, dass vieles nur noch in der Gruppe geleistet und bewältigt werden kann. Damit dies optimal gelingt, sind Kenntnisse der Gruppendynamik unerlässlich. Olaf Geramanis liefert dafür die Grundlagen.” (Klappentext)

Stellen Sie sich vor, Sie wären Führungskraft und müssten es irgendwie hinbekommen, aus einer Ansammlung von Mitarbeitern ein Team zu formieren, das sich durch einen entsprechenden Spirit auszeichnet und in dem jedes Mitglied sein volles Potenzial entfalten kann. Vielleicht sind Sie aber auch als externer Trainer bzw. Berater damit beauftragt, die Zusammenarbeit einzelner Personen oder Abteilungen innerhalb einer Organisation zu verbessern? Worauf sollten Sie achten bzw. welche Aspekte müssen hierbei berücksichtigt und ggf. thematisiert werden?

Mit viel Liebe zum Detail beschreibt Prof. Dr. Olaf Geramanis, der als Dozent für angewandte Gruppendynamik und personenorientierte Beratung an der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW in Basel tätig ist, in diesem „mini-handbuch“, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit aus einer Gruppe von Menschen ein arbeits- und leistungsfähiges Team werden kann. Hierbei spielt die Unterscheidung zwischen dem Individuum, dem Individuum-in-Gruppe, der Gruppe, der Gruppe-in-Organisation sowie der Organisation ein zentrale Rolle. Für jede dieser Ebenen benennt der Autor psychosozial-prozesshafte sowie inhaltlich-strukturelle Interventionen, und er zeigt anhand erkenntnisleitender Fragen auf, worauf diese fokussieren. Unterfüttert wurden die Erörterungen stets mit theoretischem Input (z. B. dem Phasenmodell von Bruce Tuckman) sowie mit Hinweisen auf wissenschaftliche Studien.

Vielleicht ist es zunächst etwas enttäuschend, dass in diesem Buch kein genereller Leitfaden zu finden ist, der einem genau aufzeigt, wann man was tun müsse, um eine erfolgreiche Teamentwicklung zu initiieren. Es wird aber deutlich, dass die Wirksamkeit entsprechender Maßnahmen (natürlich) stets vom jeweiligen Kontext und vom Entwicklungsstand der Gruppe abhängt. Die Spannungsfelder, in denen sich eine Führungskraft oder ein Trainer in derlei Zusammenhängen bewegt, werden analysiert, und es werden zahlreiche Tipps gegeben, wie es sich trotz dieser zum Teil entgegengesetzter Kräfte zielführend bzw. sinnvoll handeln lässt. Nicht unbeachtet bleiben hierbei aber auch systemische und individuenzentrierte Überlegungen bzw. Ansätze.

Vor allem behandelt das Buch aber die möglichen Dynamiken in Gruppen, wie ja schon der Titel verrät. Besonders interessant fand ich bspw. die Erläuterungen zum Ablauf des T-Gruppenprozesses, der mir so detailliert bislang nicht bekannt war. Hierbei ging es vor allem um die Frage, wie es einer Gruppe gelingen kann, sich selbstorganisiert zu steuern sowie die in ihr wirksamen Beziehungsdynamiken zu erkennen, zu hinterfagen und daran zu reifen? Zwar hätte es mir aufgrund meiner Neigung zur Selbstexploration ganz sicher gefallen, gewisse Selbsterfahrungen bspw. im Rahmen einer Encounter- oder T-Gruppe zu machen, leider jedoch kam ich dafür wohl etwas zu spät auf die Welt. Die Blütezeit dieser Bewegungen habe ich jedenfalls verpasst. Die Grundannahmen, die aus der Grupppendynamik hervorgingen, sind allerdings bis heute aktuell. Welche Bedeutung sie für mich als Trainer und Berater haben, wenn es darum geht, in Arbeitsgruppen zu intervenieren, wurde mir in diesem Buch sehr deutlich vor Augen geführt.

Damit die Inhalte nicht so schnell wieder in Vergessenheit geraten, sie also handlungswirksam werden können, hat der Autor darauf geachtet, seine Überlegungen und Ausführungen stets mit passenden Fragen („Worauf ist zu achten?“) und Beispielen aus der betrieblichen Praxis zu umrahmen. Dadurch lohnt sich die Lektüre m. E. für alle Führungskräfte und Gruppenleiter, die bereit dazu sind, sich und ihr Handeln einmal in Frage zu stellen, um anschließend eventuell neue Strategien für ihre tägliche Arbeit zu entwickeln. Merksätze, vertiefende Erklärungen bzw. Exkurse (durch Kästchen hervorgehoben) und zusammenfassende Tabellen und Schlussfolgerungen, die in Form von Bullet-Points am Ende eines jeden Abschnitts zu finden sind, erleichtern es, das Wesentliche schnell zu erfassen. Ich habe mir jedenfalls ein Arbeitsblatt – Beziehungsmuster & Interventionen in Gruppen – erstellen können, das ich in meinen Seminaren zum Thema „Umgang mit Konflikten als Führungsaufgabe“ künftig einsetzen werde. Didaktisch besticht das Werk zudem durch schlüssige Argumentationen sowie durch eine stimmige Gliederung der Kapitel („Das Individuum auf dem Weg in die Gruppe“ → „Die Gruppe und ihre Gruppenprozesse“ → „Die Gruppe innerhalb der Organisation“). Einziger Schwachpunkt sind die Schaubilder, von denen ich eigentlich erwartet hätte, dass sie zum besseren Verständnis beitragen und den Lesefluss somit erleichtern würden. Mich haben sie allerdings – zumindest anfänglich – eher irritiert.

Fazit:

Obwohl ich mich bereits mit dem Gruppen-Kompass, einem anderen Text des Autors, intensiv beschäftigt hatte, konnte ich in dem Buch viele neue und wertvolle Anregungen für meine eigene Arbeit finden.

Quelle:

  • Olaf Geramanis (2017). mini-handbuch Gruppendynamik. Beltz Verlag.

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