Rezension: „Psychische Gesundheit als Tabuthema in der Arbeitswelt“ von Nicole Susann Roschker

Als ich davon hörte, dass es eine systematische Studie zur Erfassung des Umgangs mit psychischen Belastungen der Dax-30-Unternehmen gibt, wurde ich neugierig. Als Psychologe habe ich im Laufe der vergangenen Jahre mit vielen Menschen gesprochen, die bereits psychisch erkrankt waren und noch im Berufsleben standen oder wieder arbeiten wollten. In unserer Zusammenarbeit ging es folglich u. a. um individuelle Strategien zum Umgang mit Arbeitsbelastungen bzw. -beanspruchungen. Vor allem die ersten Kapitel des Buches liefern ein solides Hintergrundwissen zu diesem Thema und geben Aufschluss darüber, wie (uneinheitlich) in Unternehmen und von verschiedenen Organisationen damit umgegangen wird. Nicole Susann Roschker veröffentlicht in dem Buch „Psychische Gesundheit als Tabuthema in der Arbeitswelt“ die Ergebnisse ihrer Abschlussarbeit zum Executive MBA Sustainability Management (Leuphana Universität Lüneburg). Auf den ersten 90 Seiten des Buches werden alle wesentlichen Aspekte angesprochen, die mit diesem Thema zusammenhängen. Zunächst wird ganz allgemein auf die Relevanz der psychischen Gesundheit für die Arbeitswelt eingegangen, werden Begriffsdefinitionen vorgenommen und verschiedene Facetten (z. B. das Modethema „Burnout“ oder Risikofaktoren für eine Erkrankung) beleuchtet. Dabei werden diverse Studien herangezogen und immer wieder aktuelle Zahlen genannt. Anschließend werden die Standards der Berichterstattungen (auch in Hinblick auf gesetzliche Bestimmungen) analysiert und dann jene der Dax-30-Unternehmen exemplarisch dargestellt. Die Detailliertheit Ihrer Ausführungen verdeutlicht die Komplexität des Themas und zeigt auf, welche Schwierigkeiten mit einer konsequenten Umsetzung eines gewünschten oder idealen Reportings verbunden sind. Beschrieben werden zudem verschiedene Initiativen bzw. Auszeichnungen, die sich mit den Arbeitsbedingungen in den Unternehmen befassen und diese mittels Befragungen auszuwerten versuchen. Auf diese Weise entsteht eine gute Übersicht darüber, wie das Thema von namhaften Organisationen öffentlichkeitswirksam aufgegriffen wird. Die Inhalte der Berichterstattung werden sehr gründlich aufgeschlüsselt und dabei immer wieder mit entsprechenden Quellen und Links versehen.

Eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie und das Fazit der Autorin können Sie beim Springer Verlag nachlesen:

http://www.springer.com/about+springer/media/pressreleases?SGWID=1-11002-6-1434543-0

Wer sich mit dem Umgang mit psychischen Erkrankungen in Unternehmen beschäftigt, findet in diesem Buch eine gute Übersicht über relevante Ansätze und Erhebungsmethoden. In der Mitte des Buches sind etliche Tabellen und Dokumente enthalten, die für die im Theorieteil besprochenen Inhalte herangezogen wurden, z. B. eine Auflistung relevanter Pressemeldungen zum Thema „Burnout“ und „psychische Erkrankungen“, Ergebnisse von Umfragen (DAK-Gesundheitsreport 2013, DGB Index Gute Arbeit 2012), der Qualifizierungsbogen um Corporate Health Award 2012, die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsförderung, der Best Practice Fragebogen Deutscher Unternehmenspreis sowie die 15 Kategorien zur Messung der Qualität von Arbeitsdimensionen des DGB Indexes. Auch die Darstellung der Dax-30-Unternehmen, deren Einzelanalysen den Schlussteil bzw. die zweite Hälfte des Buches ausmachen, wurde sehr akribisch vorgenommen und bietet damit eine gute Grundlage für künftige Auswertungen und für die Entwicklung weiterer Ideen zur Optimierung. Untersucht wurde, (1.) inwieweit Ressourcenschonung und Gesundheit in Unternehmensgrundsätzen und -werten zu erkennen sind, (2.) die Mitarbeitergesundheit im Konzernlage- bzw. Risikobericht, (3.) die Verankerung und Darstellung des Themas Gesundheit von Mitarbeitern in der Berichterstattung, (4.) gesundheitsförderliche Arbeitsorganisationen und -strukturen sowie (5.) das Gesundheitsverständnis, die Organisation, die Ziele, Strategien, Maßnahmen und die Evaluation des Aspektes „Gesundheit von Mitarbeitern“.

Kritik am Lesekomfort

Das über fünfhundert Seiten umfassende Buch besteht ab Seite 150 fast nur noch aus Tabellen, die sich aufgrund der (viel zu kleinen) Schrift nur mit großer Konzentration überhaupt lesen lassen. Zudem ist das Buch wegen seiner über 500 Seiten leider etwas unhandlich. Dafür enthält es aber sehr detaillierte Informationen über die einzelnen Unternehmen sortiert nach relevanten Kategorien.

Quelle:

  • Nicole Susann Roschker (2013). Psychische Gesundheit als Tabuthema in der Arbeitswelt – Analyse der DAX 30 und Leitfaden für die Unternehmensberichterstattung. Springer Fachmedien.