Rezension: „Das Alter – Impulse für die bessere Hälfte“ von Wolfgang Blohm

In seinem Buch möchte der Psychotherapeut Dr. Wolfgang Blohm – wie der Untertitel bereits verrät – Impulse für die Gestaltung der zweiten Lebenshälfte geben und dazu anregen, das Älterwerden neu zu entdecken.

Zu diesem Zweck geht er zunächst der Frage nach, was „das Alter“ eigentlich sei? Was ist charakteristisch für Menschen, die „in die Jahre gekommen“ sind? Dabei macht er deutlich, dass es in diesem Zusammenhang ganz unterschiedliche Perspektiven gibt, die aber allesamt bei genauerer Betrachtung nur wenig hilfreich sind, wenn man sich eine Vorstellung davon machen möchte, was es wirklich bedeutet, alt zu sein. Zahlreiche Vorurteile, die gewiss weit verbreitet sind, werden von ihm unter die Lupe genommen und mit einer Prise Humor widerlegt.

Obwohl ich mich manchmal ehrlich gesagt noch so fühle, als sei ich erst vor Kurzem der Pubertät entwachsen (oder sogar noch mitten darin), habe ich die 50 inzwischen überschritten. Bin ich jetzt also auch schon alt? Von den großartigen Vorzügen, über die der Autor schreibt, das Alter würde sie mit sich bringen, bemerke ich bislang nicht allzu viel. Bis es soweit ist, dass ich wirklich vollkommen frei über meine Zeit verfügen kann, dürfte es bspw. jedenfalls noch eine ganze Weile dauern. Nun gut, dafür habe ich auch keine Zipperlein, worüber ich mich beklagen müsste, Arztbesuche stehen eher selten auf meiner Agenda und bei den meisten Menschen, mit denen ich damals die Schule besucht habe, sollte es wohl recht ähnlich sein. Natürlich gibt es immer Ausnahmen.

Persönlich angesprochen fühle ich mich also nur unwesentlich. So alt bin ich schließlich noch nicht. Interessant war die Lektüre dennoch. Im Rahmen meiner Tätigkeit in der Geriatrie habe ich nämlich viel mit jenen Beschwerden zu tun, die typischerweise eher im hohen Alter auftreten: Demenz, Osteoporose, Oberschenkelhalsbruch, Polyneuropathie, COPD etc. Hinzu kommen die Probleme, die dadurch bedingt sein können: Verlust der Mobilität, zunehmende Abhängigkeit von anderen, Ängste vor einem (erneuten) Sturz etc. Nicht bewusst war es mir bspw., wie viele ältere Menschen das Laufen und Treppensteigen wieder üben müssen, nachdem sie aufgrund einer Operation längere Zeit ans Bett gefesselt waren. Wenig erbaulich ist es zudem, wenn ich mir anhöre, wie viel Zeit einige der mir anvertrauten Patientinnen und Patienten allein in ihren vier Wänden verbringen, weil die, die in ihrem Leben eine besondere Bedeutung hatten, bereits gestorben sind oder der Kontakt zu ihnen abgebrochen ist. Das alles hat wenig zu meiner Vorfreude auf die zweite Lebenshälfte beigetragen. Beim Lesen dieses Büchleins wurde mir aber (wieder) klar, dass es natürlich auch anders sein kann. Wie viele Menschen kenne ich sogar persönlich, die auch mit über 80 noch viel Freude am Leben haben und es beeindruckend aktiv gestalten?

Selbstwerdung ist m. E. ein lebenslanger Prozess. Je mehr Zeit man allerdings auf dieser Welt verbracht hat, desto besser kennt man sich auch. Zumindest sollte das normalerweise so sein. Sich seiner eigenen Stärken bzw. Ressourcen bewusst zu sein und auf umfangreiche Erfahrungen im Umgang mit allen möglichen Widrigkeiten zugreifen zu können, macht es schon deutlich leichter, mit etwaigen Turbolenzen des Lebens zurechtzukommen. Es kann übrigens – sollte das vielleicht mal in Vergessenheit geraten – hilfreich sein, sich mit dem eigenen (inneren) „Kompetenzteam“ zu befassen. Wie das genau funktioniert, beschreibt der Autor u. a. im Kapitel „Möglichkeiten und Angebote“.

Er warnt auch vor jenen Fallstricken, die auf dem Weg ins hohe Alter vor uns liegen, und zeigt auf, wie wir sie am besten umgehen können. Die Tipps sind zwar nicht spektakulär, aber wertvoll sie sind dennoch. Wer sie weitgehend befolgt, sollte sich jedenfalls später nicht nachsagen lassen müssen, er oder sie sei selbst schuld am eigenen Leid. Dass zum Beispiel der “Jammer-Modus” nicht unbedingt glücklich macht, hat sich vielleicht bereits herumgesprochen?

„Altwerden ist nichts für Feiglinge“, behauptete schon Hans-Joachim Fuchsberger. Das sehe ich auch so. Trotzdem ist und bleibt es die einzige Alternative zu einem frühen Tod. Und es liegt auch im höheren oder hohen Alter im nicht unerheblichen Maße an uns selbst – wie in jeder anderen Lebensphase übrigens auch -, was wir daraus machen. Anregungen, wie es uns gelingen kann, auch einen Gewinn an Freiheit oder Selbstbestimmtheit, Freude und Genuss damit in Verbindung zu bringen, finden sich jedenfalls etliche in diesem Taschenbuch.

Eingestehen musste ich mir, wider besseres Wissen aufgrund meiner auf Probleme fokussierten beruflichen Perspektive beinahe selbst die implizite Überzeugung entwickelt zu haben, der physiologische, psychische und körperliche Allgemeinzustand würde sich im Alter nahezu zwangsläufig auf allen Ebenen verschlechtern. Das ist natürlich Unsinn. Mir haben die Gedanken, die mein Kollege in seinem Werk ausführt, dabei geholfen, auch die positiven Aspekte, die es mit sich bringen kann, wenn man älter wird, wieder klarer vor Augen zu haben. Deshalb hat mir das Buch sehr gut gefallen!

Literaturempfehlung:

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