Rezension: “Sicherer Umgang mit psychisch auffälligen / abhängigkeitskranken Kunden” von Christoph Seidl & Regine Wulf

Überall dort, wo Menschen mit Kunden/-innen Kontakt haben, kann es zu Problemen kommen. Das ist gewiss keine neue Erkenntnis. Schon seit etlichen Jahren bemüht man sich in vielen Unternehmen und in nahezu allen Behörden deshalb darum, die eigenen Mitarbeiter/-innen auf schwierige Gesprächssituationen vorzubereiten und ihnen entsprechende Techniken beizubringen, die im Falle eines Falles einer Eskalation entgegenwirken sollen. Kommt nun aber jemand zu einem, der gerade einen psychotischen Schub hat, dann … Ja, was dann?

Zwar ist es die Aufgabe speziell dafür ausgebildeter Fachkräfte, psychische Erkrankungen zu diagnostizieren und ggf. zu behandeln, dennoch ist es wohl gut, sich auch in nicht-therapeutischen Settings auf die ein oder andere Verhaltensauffälligkeit einzustellen und zu wissen, wie man professionell damit umgehen kann.

Zwar weiß ich als Psychologe viel über psychische Störungen und jene Symptome, die mit ihnen in Verbindung stehen, allerdings habe ich im Rahmen meines Studiums nur relativ wenig darüber erfahren, wie ich mich den Betroffenen gegenüber in kritischen Momenten verhalten sollte. Als ich 2008 meine Tätigkeit beim Integrationsfachdienst aufnahm, wo ich mit Menschen mit einer psychischen oder neurologischen Erkrankung arbeitete, die eine anerkannte Schwerbehinderung hatten, hätte ich mich jedenfalls sehr über derartige Tipps gefreut. In dieser Zeit gab es jedenfalls zwei Situationen, an die ich mich erinnere, die ich nicht so auflösen konnte, wie ich es mir gewünscht hätte. Deshalb möchte ich dieses E-Book allen empfehlen, die heute in einer ähnlichen Lage sind.

Worum geht es nun in diesem Ratgeber? Zunächst erläutern Regine Wulf und Christoph Seidl, welchen Zweck ihr Ratgeber hat, nämlich dabei zu unterstützen, eine klare Haltung zu entwickeln, die dabei helfen soll, Gespräche auch unter schwierigsten Bedingungen konstruktiv zu führen. Es folgt ein Kapitel über die Ursachen und Wirkungen von Stress. Warum kann er aggressives Verhalten begünstigen? Und was kann man tun, wenn ein Gegenüber (plötzlich) aufgebracht oder energisch ist? Welche Faktoren begünstigen einen konstruktiven Gesprächsverlauf, und worauf sollte man achten, damit eine unnötige Eskalation verhindert werden kann?

In wohltuender Kürze werden den nächsten Abschnitten verschiedene psychische Störungsbilder besprochen und konkrete Hilfestellungen für einen souveränen Umgang mit den betroffenen Menschen gegeben. Was man als Laie zum Beispiel über die posttraumatische Belastungsstörung, die narzisstische oder die emotional-instabile Persönlichkeitsstörung, eine Schizophrenie bzw. Psychosen, eine Depression, eine Manie oder über Suchterkrankungen wissen sollte, wenn man es mit Personen zu tun hat, die ein entsprechendes Verhaltens- und Reaktionsmuster zeigen, wird recht kompakt und dennoch hinreichend differenziert dargestellt.

Wenn es gerade hilfreich ist, wird ein passendes Modell aus dem Bereich der Kommunikationspsychologie skizziert (z. B. das Vier-Ohren-Modell, die Ich-Zustände aus der Transaktionsanalyse etc.). Wie es in der Praxis angewendet werden kann, wird in typischen Fallbeispielen dargestellt, und es wird auf nachvollziehbare Weise erklärt, was sich dadurch erreichen lässt.

Fazit: Mir hat das Werk ausgesprochen gut gefallen! Die Inhalte sind stimmig strukturiert und verständlich aufbereitet, ohne dass dabei zu sehr auf (weniger relevante) Details eingegangen wird. In der Kürze liegt ja bekanntlich die Würze. Wer also beruflich regelmäßig mit „schwierigen“ Charakteren zu tun hat, der dürfte von der Lektüre profitieren!

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