Wie regulieren Sie Ihre Emotionen?

Wenn es uns gelingt, verstörende oder unliebsame Gefühle auf eine intelligente Weise zu regulieren, wirkt sich das äußerst positiv auf unser Wohlbefinden aus. Dass es einen Zusammenhang gibt zwischen den Gedanken und Überzeugungen von Menschen und dem, was sie fühlen, gilt schon lange als erwiesen. Ebenso wie eine schlechte Stimmung zu negativen Gedanken führt, folgt auf pessimistische und besonders kritische Gedanken oftmals auch ein emotionales Tief. Die Strategien der Emotionsregulation können eingesetzt werden, um bereits bestehende, durch innere Vorgänge (Gedanken, körperliche Prozesse) oder äußere Einflüsse (bspw. Stress oder Konflikte) hervorgerufene Gefühle zu verändern oder um neue zu initiieren. Gemeint sind also jene Techniken, die uns dabei helfen, das Erleben, die Intensität, die Dauer, den Zeitpunkt und den Ausdruck von aktivierten Emotionen zu beeinflussen, wodurch diese verstärkt, aufrechterhalten oder abgeschwächt werden können.

Mit einem Test – dem H-FERST 2018 – von Prof. Dr. Sven Barnow, der auf der Webseite der Universität Heidelberg zu finden ist, können Sie ermitteln, welche Strategien Sie bevorzugt einsetzen. Auf einige von ihnen werde ich im Folgenden kurz eingehen: Akzeptanz, soziale Unterstützung, Grübeln, Neubewertung und Problemlösen.

1. Akzeptanz

Gefühle stehen in einem engen Zusammenhang mit unseren Bedürfnissen, d. h. sie haben eine Signalfunktion. Deshalb sollten sie zunächst als das wahrgenommen werden, was sie tatsächlich sind, nämlich Reaktionen auf Deutungen und Bewertungen einer Situation. Man sollte ihnen folglich erst einmal mit einer akzeptierenden Haltung begegnen. Sind sie übermäßig stark, spricht man von emotionalen Markern, d.h. dass die Heftigkeit der Reaktion nicht durch die aktuellen Geschehnisse hervorgerufen, sondern durch irgendetwas „getriggert“ wird. Verschiedene Übungen (wie z. B. das Führen eines Stimmungstagebuchs) helfen uns zu verstehen, wie sie entstehen, woraufhin wir lernen können, sie allmählich immer besser zu regulieren.

„Akzeptanz bedeutet, sich für schmerzliche Gefühle, Empfindungen, Neigungen und Emotionen zu öffnen und ihnen Raum zu geben. Statt gegen sie anzukämpfen, schaffen wir Atemraum und erlauben ihnen, so zu sein, wie sie sind. Wir geben den Kampf und den Widerstand gegen sie auf, laufen nicht mehr vor ihnen davon und lassen uns auch nicht mehr von ihnen überwältigen, sondern öffnen uns für sie und lassen sie sein. Deshalb müssen wir sie nicht mögen oder wollen; sondern es bedeutet einfach nur, ihnen Raum zu geben.“ Russ Harris

Um mehr Akzeptanz zu entwickeln, bieten sich zum Beispiel sogenannte Achtsamkeitsmeditationen an. Achtsamkeit meint in diesem Zusammenhang das „akzeptierende Gewahrsein einer gegenwärtigen Erfahrung. Wir Menschen sind es in der Regel gewohnt, einen Großteil unseres Lebens damit zu verbringen, uns mit Problemen zu beschäftigen, die in der Vergangenheit aufgetreten sind oder in Zukunft auftreten könnten – wobei es um Bedauern oder Sichsorgen geht. Obwohl das vielleicht eine gute Evolutionsstrategie war, die unserem Überleben diente, ist es kein Rezept zum Glücklichsein, da dadurch Widerstand und somit Leid hervorgerufen oder verstärkt werden kann. Je stärker wir also das, was in unserer Erfahrung geschieht, bekämpfen („Das darf nicht passieren!“), umso stärker leiden wir.

Die Formel lautet: Leiden = Schmerz x Widerstand.

2. Soziale Unterstützung

Erfahrungsgemäß hilft es im Falle einer akuten Belastung bereits, jemanden zu haben, der aufmerksam zuhört und dabei Fragen stellt, die idealerweise zu neuen Sichtweisen und/oder Erkenntnissen führen. Das gilt natürlich insbesondere dann, wenn Probleme so übermächtig geworden sind, dass sie allein (scheinbar) nicht mehr gelöst werden können.

Mit wem sprechen Sie, wenn Sie …

  • … sich mit einem akuten Problem konfrontiert und überfordert fühlen?
  • … vor einer wichtigen Entscheidung stehen und verunsichert sind?
  • … einen geliebten Menschen verlieren und keinen Trost finden?
  • … existenzielle Fragen oder Sorgen haben?
  • … einfach nicht wissen, wie es überhaupt weitergehen soll?

Mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin? Mit Freunden? Sollten Sie auf darauf keine passende Antwort finden, könnte es im Falle eines Falles sinnvoll sein, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Je größer der Leidensdruck ist, um so mehr rate ich jedenfalls dazu. Nicht immer ist gleich eine Psychotherapie erforderlich. Für viele Probleme oder Fragestellungen gibt es spezialisierte Einrichtungen, die (teilweise kostenlose) Beratungen anbieten, oder Selbsthilfegruppen, in denen Sie sich mit anderen Menschen austauschen können. Der (professionelle) Blick von außen oder das Gefühl, mit einem Problem nicht allein zu sein, kann bereits eine erste Erleichterung bewirken.

3. Grübeln

Sind wir in einer Konflikt-, Stress-, oder Krisensituation, ist es verständlich und vollkommen normal, dass wir zum Grübeln neigen. Dabei beschäftigen wir uns zwar mit dem Problem, drehen uns dabei mit unseren Gedanken aber in der Regel im Kreis. Kritisch wird es, wenn das Gedankenkarussell zu subjektiv empfundenen Leid und/oder zu Einschränkungen der Handlungsfähigkeit im Alltag führt. Tritt das Grübeln häufiger auf oder hält es länger an, kann es pathologisch werden und ggf. sogar eine Depression oder eine Angststörung auslösen. Pathologisches Grübeln beginnt oftmals ohne konkreten äußeren Anlass und wird von den Betroffenen häufig als wenig kontrollierbar erlebt und es beeinträchtigt die Stimmung. Zudem kann es zu Schlafstörungen sowie zu temporären Störungen der Konzentration und Merkfähigkeit führen.

Einige Strategien, die helfen, das Grübeln zu stoppen, finden Sie auf den folgenden Seiten:

Was man tun kann, wenn man zu übermäßiger Selbstkritik neigt, hat Tom Diesbrock in seinem Buch “Hermann! Vom klugen Umgang mit dem inneren Kritiker” ganz hervorragend beschrieben. Eine kurze Zusammenfassung finden Sie hier: Der Mythos der eigenen Minderwertigkeit.

4. Neubewertung

Nach Ansicht des Psychotherapeuten Albert Ellis scheint es uns oft so, als würden gewisse Situationen bzw. äußerer Geschehnisse unwillkürlich Gefühle hervorrufen. Ein Ereignis (a = activating event) würde demnach also zu einem bestimmten Gefühl (c = consequence) führen. In dieser „Alltagsvorstellung“ bleibt aber ein wesentlicher Faktor unberücksichtigt: die Bewertung. So werden Ereignisse zunächst wahrgenommen und daraufhin bewertet, wobei unsere Überzeugungen (b = beliefs), wie die Dinge sind oder sein sollten, eine wichtige Rolle spielen. Erst das bewirkt die emotionale Reaktion. Welche Gefühle wir empfinden, hängt also davon ab, wie wir ein Ereignis oder eine Situation bewerten bzw. was wir darüber denken.

Wenn wir zum Grübeln neigen, ist es deshalb oft hilfreich, das Problem, um das sich unsere Gedanken kreisen, aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und sich entsprechende Fragen zu stellen (siehe Tabelle).

Derlei Fragen charakterisieren bereits seit den 1960er Jahren den Kern jener Techniken, die man in der Verhaltenstherapie zur “kognitiven Umstrukturierung” anwendet. Hilfreich ist zum Beispiel die Idee, sich mittels eines „inneren Anwalts“ zu verteidigen, sobald man sich wegen irgendwelcher Geschehnisse schuldig fühlt und darunter leidet. Es wird empfohlen, diesen Anwalt zu visualisieren bzw. sich eine konkrete Person vorzustellen, die diese Aufgabe übernimmt. Mein innerer Anwalt (Ben Matlock), hat folglich die Aufgabe, mich vor mir selbst (d. h. vor meinen inneren Richter und Ankläger) zu verteidigen und mich von meinen zum Teil recht irrationalen Schuldgefühlen (zumindest ein Stück weit) freizusprechen, d.h. mich aus dem „Gefängnis“ jener Gedanken herauszuholen, in die ich mich ansonsten leidvoll verstricken würde.

5. Problemlösen

Wie konnte es nur dazu kommen? Warum haben sich die Dinge so entwickelt? Weshalb habe ich mich so verhalten? Stellen Sie sich diese Fragen auch häufig, und sind Ihre Antworten darauf immer hilfreich? Steve de Shazer ging davon aus, dass es durchaus möglich sei, Probleme zu lösen, ohne viel Zeit damit zu verbringen, sie zu analysieren. Er meinte: “Der Lösung ist es egal, wie das Problem entstanden ist.”

Lösungsorientierte Fragetechniken gehören seit vielen Jahren zu den Standards in Therapie, Beratung und Coaching, erscheinen unmittelbar plausibel und bestechen vor allem durch ihre Einfachheit. Dass sie so gut funktionieren und warum sie das tun, lässt sich u. a. durch das Prinzip der Neuroplastizität erklären. Durch eine gezielte Hinwendung zum Gelingenden werden neuronale Netzwerke verstärkt, die sich mit Erfahrungen beschäftigen, in denen das eigene Verhalten erfolgreich war.

Die Hoffnung darauf, überhaupt eine Lösung zu finden, wird hierbei bereits als eine wichtige Ressource angesehen. Gezielte Fragen schaffen dann schrittweise ein Bewusstsein für das Besondere jener Erfahrungen, in denen man sich bereits „selbstwirksam“ erleben konnte. Coping-Fragen suchen bspw. nach bisherigen Bewältigungsstrategien, die in der Vergangenheit erfolgreich waren. Des Weiteren empfiehlt es sich, nach jenen Ausnahmen zu suchen, in denen das besagte Problem entweder weniger groß oder gar nicht vorhanden ist, und anschließend zu schauen, was man in diesen Momenten dafür tut, dass es so ist. Mittels eines Ressourcen-Screenings sowie der lösungsorientierten Zentralfrage, lassen sich Handlungsstrategien erarbeiten, die man dann schrittweise umsetzen kann. Des Weiteren gehören natürlich Wunder-, Externalisierungs- sowie zirkuläre Fragen zum Standardrepertoire dieses Ansatzes. Oft sind aber auch ungewöhnliche Fragetechniken hilfreich, wie z. B. die Verschlimmerungs- oder die Utilisierungsfrage, um eine passende Lösung zu finden.

Die hier erwähnten Fragetechniken werden in dem Buch „Lösungsorientierte Beratung“ von Günter G. Bamberger wie folgt definiert bzw. beschrieben:

  • Coping-Fragen: „Wie haben Sie es geschafft, dass das Problem nicht noch größer geworden ist?“ „Wie haben Sie es geschafft, so lange durchzuhalten?“
  • Ausnahme-Fragen: Kaum ein Problem wird zu jeder Zeit gleichermaßen intensiv erlebt. Hier wird nach jenen Situationen gefragt, in den das Problem entweder weniger groß oder gar nicht vorhanden ist. Es geht also um die Suche nach Ausnahmen (von Problem).
  • Ressourcen-Screening: Da es stets die Ressourcen eines Klienten sind, die Entwicklungen und Veränderungen überhaupt erst ermöglichen, zielen diese Fragen auf eine Fokussierung dieser ab. „Was glauben Sie, beeindruckt mich als Berater von all dem, was Sie bereits zur Lösung Ihres Problems unternommen haben, wohl am meisten?“
  • Lösungsorientierte Zentralfrage: Ziel der lösungsorientierten Arbeit ist es, Perspektiven des Lösens zu entwickeln, die Schritt für Schritt von den Klienten angegangen werden können. „An welchen Veränderungen werden Sie erkennen, dass wir uns unserer Zusammenarbeit den richtigen Weg eingeschlagen haben? Was werden Sie dann tun, was Sie im Augenblick noch nicht tun?“
  • Hypothetische Fragen: Mit derartigen Fragen werden noch nicht wahrgenommene Optionen antizipiert und alternative Wirklichkeitskonstruktionen erfahrbar gemacht. Typische Anfänge solcher Fragen sind „Angenommen…“, „Gesetzt den Fall…“, „Stellen Sie sich vor…“ Die Wunderfrage ist eine spezielle Form der hypothetischen Frage: „Stellen Sie sich vor, eine gute Fee würde heute Nacht zu Ihnen kommen und Ihr Problem lösen. Was würde mir für eine Veränderung an Ihrem Verhalten auffallen, wenn ich Sie morgen besuche?“
  • Externalisierungsfragen: Bei diesen Fragen geht es darum, die Wahrnehmung des Klienten dahingehend zu lenken, dass sich dieser von dem Problem bzw. dem belastenden Gefühl gelöst sieht. „Wie müssten Sie mit Ihrer Angst sprechen, damit diese stärker wird? Und wie, damit sie schwächer wird?“ „Welche Bereiche Ihres Lebens werden von Ihrem Problem beeinflusst? Und welche Bereiche sind frei davon?“
  • Systemische Fragen: Das sind Fragen, die dazu einladen, die Sichtweise eines anderen Menschen seines Systems einzunehmen. Diese Fragen werden auch „Gedankenlesende-Fragen“ (nach Rainer Schwing & Andreas Freyszer) oder zirkuläre Fragen genannt .
  • Verschlimmerungsfrage: Fühlen sich Menschen ihrem Problem hilflos ausgeliefert, könnte die Frage danach, wie sie es verschlimmern könnten, in einer Umkehr der entsprechenden Antwort zu einer Lösungsoption führen. „Was könnten Sie konkret dafür tun, damit ihr Problem noch größer bzw. schlimmer wird? Und was wäre ein mögliches Gegenteil davon?“
  • Utilisierungsfrage: Diese Frage wird auch als Standard-Reframing-Frage bezeichnet. Sie zielt darauf ab, die problematische Situation direkt als Impuls für etwas Neues zu nutzen. „Wofür könnte es gut sein, dass Sie Ihr Problem aufrechterhalten? Welchen Nutzen, Gewinn oder Vorteil haben Sie durch Ihr Problem?“

Des Weiteren erfasst der „H-FERST 2018“ die folgenden Strategien:

  • Unterdrückung des emotionalen Ausdrucks: Unterdrückung des emotionalen Ausdrucks und Verhaltens
  • Unterdrückung des emotionalen Erlebens: Unterdrückungsversuche starker emotionaler Gedanken und Gefühle
  • Vermeidung: „Vermeidung bestimmter Gefühle, Gedanken oder körperlicher Empfindungen sowie deren auslösende Situationen“

Sollten Sie Fragen zu diesem Thema haben, empfehle ich Ihnen „Gefühle im Griff“oder “Emotionsregulation” von Prof. Dr. Sven Barnow. In diesen Büchern erläutert er auf leicht verständliche Weise, welche komplexen Vorgänge in unserem Gehirn an der Entstehung von Emotionen beteiligt sind und wie wir entsprechende Prozesse gezielt beeinflussen können.

Dr. Sven Barnow ist Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie und approbierter Psychologischer Psychotherapeut (Verhaltenstherapie). Für seine Forschungsleistungen hat er mehrere Auszeichnungen/Stipendien erhalten, u. a. das Krupp von Bohlen und Halbach Stipendium für herausragende Nachwuchswissenschaftler (Forschung an der UCLA, San Diego), einen Bayer Award für seine Publikation (gemeinsam mit Michael Linden) zu Alterssuizidalität, ein Marsilius Fellowship (im Rahmen der Exzellenzinitiative).

Literaturhinweise:

  • Sven Barnow (2017). Gefühle im Griff! Wozu man Emotionen braucht und wie man sie reguliert. Springer-Verlag.
  • Sven Barnow (2016). Emotionsregulation. Springer-Verlag.
  • Russ Harris (2011). ACT leicht gemacht – Ein grundlegender Leitfaden für die Praxis der Akzeptanz- und Commitment-Therapie. Freiburg, Arbor Verlag.
  • Steve de Shazer (2002). Der Dreh. Carl-Auer-Systeme Verlag.
  • Günter G. Bamberger (2015). Lösungsorientierte Beratung (5. Auflage). Beltz Verlag.
  • Albert Ellis & Burkhard Hoellen (2004). Die Rational-Emotive Verhaltenstherapie – Reflexionen und Neubestimmungen. 2. Auflage. Klett-Cotta.

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