Stereotype über ältere und jüngere Mitarbeiter

“Stereotype – die eigenen und die der Mitarbeiter – als der entscheidende Faktor beim Führen von Jung und Alt” von Dr. Wiebke Stegh & Prof. Dr. Jurij Ryschka

Vorurteile spielen eine bedeutende Rolle beim Führen von Jung und Alt. Die Leistungseinbußen im Alter sind bei weitem nicht so groß bzw. so früh auftretend wie oftmals angenommen (z. B. Ng und Feldman 2012) und jede Altersklasse bringt ganz unterschiedliche wichtige Potenziale mit (z. B. Kunze et al. 2013b). Dennoch halten sich Stereotype über Altersklassen und Generationen hartnäckig – mit weitreichenden Folgen wie zwei exemplarische Studien mit mehr als 8000 Befragten aus ca. 130 Unternehmen zeigen: Organisationen, deren Topmanager negative Altersstereotype haben sowie Organisationen, in denen ein Klima der Altersdiskriminierung herrscht, weisen eine geringere Performance auf (Kunze et al. 2011, 2013a).

Abb. 3.5

In Abb. 3.5 finden Sie eine Auswahl an typischen Stereotypen gegenüber jüngeren und älteren Menschen. Älteren Mitarbeitern werden z. B. eine schwächere Gedächtnisleistung, weniger Offenheit gegenüber Neuerungen und mehr gesundheitliche Probleme nachgesagt. Jüngeren Mitarbeitern werden weniger negative Vorurteile entgegengebracht (hierzu gibt es auch weniger Forschung). Zugeschrieben wird Jüngeren, dass sie wenig Praxiserfahrung mitbringen, komplexe Zusammenhänge nicht verstehen, keine Führungsaufgaben übernehmen können, dass Entscheidungen wenig fundiert und soziale Kompetenzen nicht ausreichend ausgeprägt sind.

  • Welche weiteren Vorstellungen haben Sie über verschiedene Altersklassen oder zu verschiedenen Generationen?
  • Welchem Vorurteil sind Sie schon selbst im Laufe Ihres Berufslebens (mehr oder weniger offen) begegnet?
  • Welche der in der Abb. 3.5 genannten Stereotype können Sie direkt mit einem Gegenbeispiel widerlegen?

Häufiger und in weitaus vielfältigeren Situationen als es uns meist bewusst ist, tappen wir selbst in die Stereotypenfalle und beurteilen andere danach, ob sie unserer Vorstellung entsprechen – oder wir versuchen (unbewusst) selbst, dem Rollenbild zu entsprechen.

Stereotype – nicht per se schlecht

Auch wenn mit Stereotypen viele Risiken einhergehen und bislang nur von negativen Stereotypen älteren und jüngeren Mitarbeitern gegenüber die Rede war, muss an dieser Stelle noch einmal betont werden, dass Stereotype in unserem Denken und Handeln eine wichtige Rolle spielen: Sie erleichtern uns die Einschätzungen von Situationen und Menschen. Sie sind eine Art schnelle Entscheidungshilfe, eine Heuristik. Müssten wir jedes Mal die Unmengen an Informationen, die in einer Situation auf uns einströmen, sorgfältig analysieren, so wären wir (quasi) handlungsunfähig. Daher handeln wir oft nach einfachen Denkregeln, die wir im Laufe der Zeit entwickelt haben. Dazu zählen auch Stereotype – positive wie negative. Wir wollen hier anregen, offen über Stereotype ins Gespräch zu kommen sowie für sich immer wieder aufs Neue zu reflektieren, ob Ideen und Meinungen, die wir über Personengruppen oder ganz bestimmte Personen haben, auch tatsächlich zutreffend sind. Stereotypes Denken ist menschlich und Stereotype sind oft hilfreich. Gleichzeitig müssen wir uns diesen deutlich bewusst(er) sein, stets offen bleiben für den Gegenbeweis und erst recht keine sich-selbst-erfüllende Prophezeiung etablieren.

Sich-selbst-erfüllende Prophezeiung

Eine sich-selbst-erfüllende Prophezeiung bedeutet, dass Menschen von einer Vorhersage (Prophezeiung) überzeugt sind und sich dann so verhalten, dass diese auch eintritt. Wenn ich z. B. glaube, dass ein Meeting uninteressant sein wird, werde ich mit nur wenig Begeisterung dorthin gehen. Anstatt mich mit eigenen Ideen zu beteiligen sowie mit Kollegen aus anderen Abteilungen zu interagieren, sitze ich eher geistesabwesend im Raum und schlussfolgere am Ende: langweiliges Meeting.

Die Erwartung einer Führungskraft, dass bestimmte Personen weniger Fähigkeiten haben bzw. schlechtere Leistung erbringen, kann dazu führen, dass diese Personen tatsächlich schlechtere Performance zeigen. Dieser „umgekehrte“ Rosenthal-Effekt bzw. diese negative sich-selbst-erfüllende Prophezeiung wird auch Golem-Effekt genannt (Babad et al. 1982).

Wir haben es hier also mit einem sehr wirksamen Faktor zu tun: unseren eigenen Erwartungen. Absolut unterstützenswert finden wir daher die Haltung, die der Psychologe und Managementprofessor Grant (2013) in seinem Buch Give and Take vermittelt: Gehen Sie davon aus, dass alle Menschen fähig und talentiert sind – ermöglichen Sie somit allen, ihr Bestes zu zeigen.

Negative Stereotype gegenüber Älteren lassen sich durch wissenschaftliche Untersuchungen nicht stützen!

Stereotype über junge und alte Menschen haben wir alle im Kopf, ein paar ausgewählte haben wir Ihnen zuvor dargestellt. Lassen Sie uns nun schauen: Was ist „dran“ an diesen Vorurteilen? Die Ergebnisse zweier Metaanalysen von Ng und Feldman (2008, 2013b) sind so beeindruckend, dass wir Ihnen die Zahlen in Abb. 3.6 zusammengestellt haben. Die wichtigste Botschaft ist: Negative Stereotype, die die Leistung älterer Personen betreffen, sind wissenschaftlich nicht haltbar. Und auch auf andere Merkmale gibt es keine negativen Effekte des Alters (vgl. Abb. 3.6).

Abb. 3.6

Altersdiversität in Teams als Potenzial

Wenn Altersdiversität salient ist (d. h. auffällig hervortritt), kann dies die Konfliktwahrscheinlichkeit in Teams erhöhen. Wenn dabei ein positives Teamklima mit Wertschätzung und ohne Vorurteile besteht, finden sich eher Aufgabenkonflikte im Gegensatz zu den meist schädlichen Beziehungskonflikten (s. u.) – genau wie auch bei niedriger Salienz von Altersheterogenität. Aufgabenkonflikte bezeichnen Konfliktfragen, die sich auf die Aufgabe als solche beziehen. Durch konstruktive Diskussionen und den Austausch unterschiedlicher Meinungen und Erfahrungen kann eine Konkretisierung und Klärung der Aufgabe herbeigeführt werden, was zu einem höheren Aufgabenverständnis und schließlich zu einer besseren Aufgabenerledigung führen kann (siehe hierzu auch die Entwicklung eines Shared Mental Models). Bei komplexen Problemlöseaufgaben – unter den benannten Voraussetzungen (positives Teamklima, Wertschätzung für Altersunterschiede, geringe Vorurteile gegenüber Älteren) – kann Altersheterogenität daher die Gruppeneffektivität fördern, da es hilfreich ist, sich mit den Aufgabenstellungen intensiv auseinanderzusetzen. Bei Routineaufgaben findet sich dieser Vorteil nicht. Dennoch müssen Sie als Führungskraft im Blick haben, dass Aufgabenkonflikte trotz der potenziell leistungsfördernden Auswirkungen immer auch einen negativen Effekt auf das Wohlbefinden der Mitarbeiten haben können (De Dreu 2006; De Dreu und Weingart 2003).

Abb. 4.1

Wegge und Kollegen konnten positive Auswirkungen von Altersdiversität belegen: Wird Altersdiversität wertgeschätzt, sodass die Teammitglieder einen Mehrwert in der Zusammenarbeit jüngerer und älterer Kollegen sehen, hat dies auch einen positiven Effekt auf die Arbeitszufriedenheit der Teammitglieder (Wegge und Jungmann 2015; Wegge et al. 2011).

Handlungsempfehlungen

  • Als Führungskraft liegt es nicht nur in Ihrer Verantwortung, die Potenziale, die in altersgemischten Teams liegen, bestmöglich zu nutzen. Vielmehr müssen Sie zunächst einmal dafür Sorge tragen, dass sich das Diversitätsmerkmal Alter nicht negativ auf das Team und die einzelnen Teammitglieder auswirkt.
  • Auf die Altersstruktur selbst haben Sie als Führungskraft meist wenig Einfluss. Aber Sie können auf drei wesentliche Faktoren für die Effektivität von Teams einwirken:
    1. Gestalten Sie ein positives Teamklima,
    2. fördern Sie die Wertschätzung von Heterogenität in Ihrem Team, z. B. indem Sie betonen, wie bereichernd Sie es finden, mit Menschen unterschiedlichen Alters zusammenzuarbeiten, und
    3. bauen Sie Altersvorurteile bei sich und Ihren Mitarbeitern ab.

Bei diesem Artikel handelt es sich um eine Leseprobe aus dem folgenden Buch:

Praktische Handlungsempfehlungen für das generationenübergreifende Führen

Durch verkürzte Schul- und Studienzeiten werden Arbeitnehmer einerseits immer jünger. Auf der anderen Seite sorgen spätere Renteneintritte oder projektbasierte Mitarbeit von Rentnern für immer ältere Mitarbeiter. Eine gute Führungskraft muss jeden Mitarbeiter und seine individuellen Bedürfnisse und Leistungskapazitäten im Blick zu haben – unabhängig von seinem Alter oder seiner spezifischen Lebensphase. Außerdem muss sie altersheterogene Teams führen können. Dieses Buch versteht sich als Gebrauchsanweisung, die Führungskräften die Bewältigung all dieser herausfordernden Aufgaben in Unternehmen erleichtern will.

Quelle:

Dr. Wiebke Stegh (Psychologin, M. Sc.) ist als Beraterin und Trainerin tätig und berät Führungskräfte in Veränderungssituationen und zu gesunder Führung. Darüber hinaus trainiert, berät und coacht sie Führungskräfte und Mitarbeiter*innen zu Zeit-, Stress- und Selbstmanagement, Kommunikation und Laufbahnentwicklung.

Prof. Dr. Jurij Ryschka (Dipl.- Psychologe) ist als Berater und Coach tätig. 1996 gründete er die Organisationsentwicklung Ryschka, die Unternehmen in Fragen von Führung, Kooperation und Veränderung berät.

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