Um das Thema „Burnout“ wurde ein großer Hype gemacht, der zurzeit gerade wieder etwas abflacht. Letztendlich handelt es sich angeblich ja doch „nur“ um eine Erschöpfungsdepression, die den Betroffenen den Ruf verleiht, DIE LEISTUNGSTRÄGER unserer Gesellschaft zu sein. Es wird viel Geld damit verdient, Unternehmen dahingehend zu beraten, wie sie präventiv dagegen vorgehen und ihre Mitarbeiter vor einer langfristigen Krankschreibung bewahren können. Dass dabei auch viel Unsinn gemacht wird und falsche Annahmen über dieses Phänomen weit verbreitet sind, wird schnell deutlich, wenn man sich eingehender mit der Thematik befasst. Wer dies tun möchte, dem sei das bereits 1989 und nun in der 5. Auflage erschienene Buch von Prof. Dr. Matthias Burisch empfohlen, das einen sehr fundierten Überblick über den aktuellen Forschungsstand gewährt sowie alles Wissenswerte über dieses komplexe Störungsbild beinhaltet. Insbesondere ätiologische Aspekte, die im ICD-10 (International Classification of Diseases) nicht berücksichtigt werden, spielen bei der Unterscheidung zu anderen Krankheiten eine wesentliche Rolle und geben Hinweise, worauf eine therapeutische Behandlung abzielen sollte. Obwohl anzunehmen ist, dass dieses Störungsbild weit verbreitet ist, taucht es dort bislang lediglich als Zusatzdiagnose (Z73.0) mit der lapidaren Erläuterung „Zustand der totalen Erschöpfung“ auf. Die Unterschiede zu einer Depression sind aber beachtlich: Während sich die Auslöser bei depressiven Menschen oftmals schwer finden lassen, sind sie beim Burnout relativ klar ersichtlich. Ausbrenner (vor allem im Endzustand) kämpfen und neigen dazu, Ihre Kräfte zu überschätzen. Depressive tendieren eher zu Resignation und Selbstunterschätzung. Zwar hegen auch die „Selbstverbrenner“ oftmals fundamentale Grundannahmen, die zu selbstschädigendem Verhalten führen, wie zum Beispiel jene, keine Fehler machen zu dürfen. Diese lassen sich allerdings vergleichsweise schnell ausfindig machen und können dann entsprechend modifiziert werden. Überwiegen hingegen äußere Faktoren, ist eine Veränderung der Lebens- bzw. Arbeitsbedingungen – anstatt einer Therapie – das Mittel der Wahl. Während bei Depressiven die Emotionen Melancholie und Trauer vorherrschen, sind es bei Burnout Wut und Angst, die sich auf diese Weise vermindern oder sogar auflösen lassen.
Um auch jenen von Ihnen das Buch schmackhaft zu machen, die es bereits in einer älteren Auflage besitzen, möchte ich hier aus dem Vorwort des Autors zitieren:
„Vorbemerkungen zur 5. Auflage
Nun also doch eine „nur“ überarbeitete Neuauflage des Burnout-Syndrom. Eigentlich hatte ich geplant (und auch in der 4. Auflage angekündigt), eine neue Ausgabe erst dann herauszubringen, wenn es beim Thema Burnout neue Erkenntnisse gäbe, die das Wort Durchbruch rechtfertigen würden. […] Und es gab weitere Gründe, die nunmehr vergriffene letzte Version von 2010 nicht einfach nachzudrucken: […] Was biologische Forschungsansätze gibt, galt es eine Fehleinschätzung meinerseits zu revidieren. Vor allem aber: In Deutschland droht eine seit Mitte 2011 vor allem in den Populärmedien geführte Debatte den Begriff Burnout nachhaltig zu diskreditieren; dazu möchte ich an dieser Stelle auch meine Meinung sagen. […] Noch ein Grund für eine Neuauflage: Die ersten Auflagen haben mir viel erfreuliche Leserpost und einige positive Rezensionen eingebracht. Eine häufige Aussage lautete etwa so: „Beim Lesen dachte ich oft, Sie müssen mich gekannt haben!“ Es scheint mir, der ich die Sache eingestandenermaßen von innen kenne, also gelungen zu sein, Wiedererkennungserlebnisse auszulösen. Und das, so bilde ich mir ein, nicht nur mit den einfachen Mitteln der mittlerweile überbordenden Ratgeberliteratur. […] Dieses Buch will Burnout in erster Linie verstehbar machen. Wenn schon das Lösungsideen liefert, wenn sich daraus Wegweiser für das eigene Fortkommen zimmern lassen – auch solche Zuschriften habe ich erhalten -, dann freut mich das besonders. Aber in der Regel kann ein Buch eine individuelle Beratung oder gar eine Therapie nicht ersetzen. Alles andere wäre Etikettenschwindel und Scharlatanerie.“ Trotzdem findet man aber darin viele wertvolle Anregungen zur Entwicklung eines gesünderen Lebens- und Arbeitsstils.
Das integrierende Burnout-Modell, das Prof. Dr. Burisch im 4. Kapitel erläutert, stellt aufgrund seiner Differenziertheit vieles in den Schatten, was man sonst über dieses Phänomen liest oder hört. Einen Grund, sich das Buch zu besorgen, sieht der Autor zudem in den Schlusskapiteln, in denen es um den aktuellen Forschungsstand, den neuen Trend zur „freiwilligen Selbstausbeutung“ sowie um konkrete Hilfestellungen und Therapiemöglichkeiten geht. Hier finden sich zahlreiche Hinweise, die man nicht schon 1000mal gelesen hat. Dass das tatsächlich so ist, möchte ich hiermit bestätigen!
Burisch, Matthias. Das Burnout-Syndrom (5. Auflage). Springer Verlag (2014).