„Zu jung für alt“ von Dieter Bednarz – Rezension von Franz Hench

Das neue Buch des Autors und ehemaligen Spiegelredakteurs Dieter Bednarz von 2018 sehe ich als eine unaufdringliche und motivierende Einladung, die eigene Idee, wie die Zeit nach der aktiven Berufstätigkeit bzw. die Gestaltung der selbstbestimmten Jahre aussehen soll, einer Reflexion zu unterziehen. Der Genuss der ausgiebigen morgendlichen Zeitungslektüre – der ja auch mancher interessante Impuls zu entnehmen ist – wird mir nicht ausgeredet, deshalb lese ich mit Spannung weiter.

Meine Zeit als junger Vater liegt biografisch länger zurück als bei Dieter Bednarz. Schon in der auslaufenden Studentenzeit begann für mich das Abenteuer Familie. Da diese schöne Familienzeit bei ihm erst zehn Jahre vor dem beruflichen Ausscheiden begann, ist nachvollziehbar, dass er – nach „Rückkehr von der Wickelfront“ – einen heftigen Kontrast zwischen seiner jugendlichen Familie und der persönlichen Herausforderung erlebte, die Jahre nach dem Berufsleben, die vor nicht allzu langer Zeit noch als „das Alter“ angesehen wurden, sinnvoll zu gestalten.

Die Erläuterung der politischen Geschichte vom Aufbau der Absicherung der Menschen nach ihrem Erwerbsleben mittels einer Rente erfolgt im Zusammenhang – d. h. vor dem Hintergrund der Verschiebung des Alters zeitlich nach hinten sowie der Erwartung der bald ins Rentensystem eindringenden und gerecht zu integrierenden Babyboomer – und sehr bündig. Die Charakterisierung verschiedener Rentnertypen fordert dazu heraus, sich selbst zuzuordnen: zum Zufriedenen, Geschäftigen, Verhinderten, zum Unruheständler, Produktiven oder Gebremsten. Es dürfte kaum eine/n Leser/in geben, der/die darüber nicht ins Nachdenken käme.

Dieter Bednarz macht sich zu sehr verschiedenen und unterschiedlich spezialisierten Experten auf, wie z. B. im Deutschen Zentrum für Altersfragen in Berlin zu Prof. Tesch-Römer. Mit ihr spricht er über mögliche Erlebnisweisen des Übergangs in den Ruhestand, die vom Eindruck eines neutralen Ereignisses, über die Sichtweise des ‘Übergangs als Gewinn’, bis hin zum Erlebnis des ‘Übergangs als Verlust’ reichen. Weiteres Expertentum findet sich am Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg in der Person von Professor Kruse, dem Dieter Bednarz – wie seinen anderen zahlreichen Gesprächspartnern auch – sehr persönliche Sicht- und Erlebnisweisen entlocken kann. Auch mit Bergleuten aus seiner eigenen Heimat führt er Gespräche – angesichts der dramatischen Veränderungen ihrer beruflichen Perspektive. Interessant und überraschend ist die Idee mancher Rentner, nicht zuletzt als Rechenbeispiel, einem Aufenthalt im Seniorenheim lieber eine Langzeitreise auf einem Kreuzfahrtschiff vorzuziehen. Anderen erschließt sich das Theaterspiel oder das Singen im Chor als neue Leidenschaft.

Weitere Anregungen:

  • In einer New-Generation-Zentrale trifft eine breite Palette von Angeboten auf ‘Anbieter’ und ‘Verbraucher’ und unterstützen lebenslanges Lernen.
  • Ausführliche Beschreibung finden die Freiwilligenbörse „Aktivoli“, die Bundesgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSC), der Senior Expert Service (SES) sowie die Vermittlungsplattform „Masterhora“.
  • Das Demografie-Netzwerk e.V. (ddn) beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Betriebe, Organisationen und Firmen auf eine alternde Belegschaft einstellen können. Hier zeigt Bednarz auf, dass es noch viel zu tun gibt für diejenigen, welche die Zeichen der Zeit erkannt haben.
  • Die Körber-Stiftung, welcher Bednarz nahesteht, wartet mit vielen ExpertInnen auf.

Die Professoren Radebold und Mundle erlebt Dieter Bednarz als mental und emotional unterstützend bei der Analyse und der Suche nach Perspektiven rund um die Geschehnisse und die teilweise als existentiell bedrohlich wahrgenommenen Erlebnisse auf dem Weg von der Loslösung vom Beruf bis zur letztendlich versöhnlichen Ankunft in der nachberuflichen Lebenszeit. Einen inspirierenden Gesprächspartner findet er in Philipp Lahm, der als Weltmeister im Fußball bekannt ist, und der für Dieter Bednarz auch in der Fähigkeit zur Vorausschau und Vorausplanung vorbildhaft und meisterhaft ist.

Besonders angesprochen hat mich der erfrischende und unterhaltsame Schreibstil und vor allem die Ehrlichkeit und Offenheit von Herrn Bednarz, genau wie mich schon sein lebendiger Vortragsstil bei einem Vortrag in Lahr begeistert hat. Und…. ich habe selbst einen neuen Vorsatz gefasst, ein – in der Berufszeit vernachlässigtes – Talent aufzugreifen.

Franz Hench, Diplom-Psychologe & Diplom-Theologe

Literatur:

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