Rezension: “Systemisches Konfliktmanagement” von Kurt Faller, Bernd Fechler & Wilfried Kerntke (Hrsg.)

In den 1990er Jahren entwickelte sich das Systemdesign zu einem eigenständigen Fachbereich, der die enge Verbindung von Mediation und Organisationsentwicklung betont. Das Buch beginnt mit einer kurzen Einleitung zum Thema „Konfliktmanagement“. Es folgen systemische Betrachtungen eines entsprechenden Systems (zur Regulation der moralischen Anerkennungsökonomie) und von Organisationsmodellen (als Ressource). Hätte man mich nach dem Lesen der ersten Seiten gefragt, worum es geht, wäre es mir nicht leicht gefallen, das im Einzelnen zu beantworten. „Unsicherheit“, „Unvollständigkeit“ und „stetiger Wandel“ sind mir als Schlagworte in Erinnerung geblieben. Da ich mich im Vorfeld mit vielen der angeführten Modelle noch nie beschäftigt hatte, konnte ich den Schlussfolgerungen der Autoren nur schwer folgen. Der auf den ersten Seiten geführte theoretische Diskurs setzt m. E. ein nicht unerhebliches Expertenwissen voraus. Dann wurde es für mich aber deutlich zugänglicher: In dem Kapitel „Triadische Konfliktbearbeitung in Unternehmen und Organisationen“ stellt Kurt Faller dann unter Zuhilfenahme eines Hexagons konstruktiver Konfliktbearbeitung drei Schritte dar, die er mit gut strukturierten Fragen inhaltlich füllt. Im Fokus stehen die Personen, die Sache und das System. Nach einer Analyse der bestehenden Unternehmens- und Konfliktkultur geht er auf diese Konzept-Triade und anschließend auf eine entsprechende Umsetzungs-Triade ein. Mit zwei Fallbeispielen leitet er seine Fragenkataloge ein und macht u. a. deutlich, welchen Sinn eine Reduzierung der Komplexität der Wirklichkeit durch dieses Vorgehen macht. Das hat mir sehr gut gefallen. Im Anschluss daran begründet Wilfried Kerntke, warum die Konfliktfolgekosten ein nützlicher Fokus der Aufmerksamkeit sind und thematisiert sowohl deren Erhebung und Auswertung, wie auch die Notwendigkeit des Schaffens von Reflexionsräumen. Sehr interessant sind die darauf folgenden Betrachtungen Bernd Fallers zu einem Change begleitenden Konfliktmanagement und die in diesem Kapitel diskutierten Spannungsfelder.

Im dritten Kapitel beschreibt Kurt Faller die Möglichkeiten der Verbindung von Mediation und Organisationsberatung, insbesondere das MEDIUS-Konzept der innnerbetrieblichen Wirtschaftsmediation. Es finden sich darin Hinweise zur transparenten Gestaltung des Settings einer Konfliktbearbeitung und er gewährt einen knappen aber guten Überblick über die zwölf Instrumente der Konfliktbearbeitung in Unternehmen und Organisationen. Daraufhin widmet sich Wilfried Kerntke der Organisationsmediation inklusive ihrer Prozesslinien bzw. der Art und Weise, wie inmedio frankfurt diese betreibt. Einen Nutzen konnte ich dabei für mich vor allem in der Statusemotionen- sowie der Diskriminierungsmatrix finden. Kapitel 4 beschäftigt sich dann mit dem Systemdesign, mit seinen Nutzungsaspekten, den verschiedenen Elementen (hier gefiel mir besonders die MEDIUS Modell-Matrix von Kurt Faller) und mit der Systemdesign-Schleife, also der Ausarbeitung und Implementierung eines KMS vom Auftrag über die Entwicklung zur Integration. Die schrittweise vorgenommene und recht detaillierte Beschreibung ist plausibel und lädt zur Nachahmung ein.

Wie es das dann in der Praxis konkret aussehen kann, wird in den folgenden Abschnitten des Buches aufgezeigt. So gewährt Jürgen Briem zu Beginn des fünften Kapitels einen Einblick in das Konfliktmanagementsystem der SAP AG, welches dem Modell eines Systemdesigns entspricht. Als weiteres Beispiel wird erläutert, wie die Unternehmensgruppe Wozabal unter Bezugnahme auf die Systemdesignschleife von Kurt Faller beim Aufbau ihres KMS methodisch vorgegangen ist. Zudem werden die KM-Systeme der Pilotenvereinigung Cockpit , des Oberösterreichischen Landesdienstes, der Stadt Graz, von Einrichtungen der Behindertenhilfe sowie eines sozialpsychiatrischen Flächenversorgers mit ihren jeweiligen Besonderheiten dargestellt. Die spezifischen Anforderungen werden dabei strukturiert dargelegt und ermöglichen auf diese Weise eine Übertragung des Modells auf verschiedenste Organisationssysteme. Das letzte Kapitel widmet sich dem Themenfeld des Konfliktmanagements im Wandel, beginnend mit einem Plädoyer für das Fair Leadership. Ein persönlicher Höhepunkt des Buches war für mich die abschließende Diskussion über die Elemente eines Change begleitenden Konfliktmanagements (Schock, Kampf und Verstrickung) von Bernd Fechler. Jeder Phase eines Change-Prozesses wird hier ein entsprechender Konflikt-Modus sowie ein dazu passendes Systemdesign zugeordnet. Etliche Literaturhinweise und ein Stichwortregister runden das Werk ab.

Fazit: Ein fundiertes Fachbuch für Organisationsberater, Mediatoren und Führungskräfte, die strukturelle Veränderungen bewirken bzw. initiieren wollen. Obwohl der Schwerpunkt meiner Arbeit als Psychologe ein etwas anderer ist, konnte ich auch für mich einiges Wissenswertes entdecken und entsprechende Erkenntnisse daraus ableiten. Bis auf das 3-Phasen-Modell für soziale Veränderungen von Kurt Lewin waren allerdings nur wenige (richtig) psychologische Inhalte darin zu finden.

Literatur:

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