Rezension: „Einführung in die moderne Kognitive Verhaltenstherapie“ von Stefan G. Hofmann

stefan-g-hofmann-einfuehrung-in-die-moderne-kognitive-verhaltenstherapie-coverDer Gedanke daran, sich in psychotherapeutische Behandlung zu begeben, kann Menschen stark verunsichern. Vielen ist unklar, was dabei eigentlich genau geschieht bzw. mit welchen Mitteln und „Tricks“ die Therapeuten wohl versuchen werden, den Leidensdruck zu lindern. Zwar ist es anerkanntermaßen oftmals schon sehr heilsam, mit einem anderen Menschen offen über die eigenen Probleme und Befindlichkeiten sprechen zu können, aber wäre es nicht dennoch wesentlich einfacher, sich von einem Arzt passend zur Diagnose ein paar Tabletten verschreiben zu lassen, um die Angst oder die Verstimmung auf bequeme Weise loszuwerden? Ja, das wäre es vielleicht, aber in vielen Fällen sicher nicht genauso wirkungsvoll.

Professor Ph.D. Stefan G. Hofmann, Direktor des Psychotherapy and Emotion Research Laboratory des Departments of Psychology der Boston University, stellt in seinem Buch die Kognitive Verhaltenstherapie vor und erläutert auf verständliche Weise, wie verschiedene psychische Erkrankungen mit ihren Methoden behandelt werden können. Bereits im Geleitwort zur amerikanischen Ausgabe beschreibt er in Kürze ihr Grundkonzept: Dysfunktionale Überzeugungen werden demnach durch externale Auslöser aktiviert und führen zu automatischen, dysfunktionalen Gedanken, auf die die Betroffenen dann ihren Aufmerksamkeitsfokus richten und (um sie zu kontrollieren) dysfunktionale Kontrollmechanismen in Gang setzen, die das Problem weiter verschlimmern. Das Problem einer an diesem Modell ausgerichteten Therapie besteht darin, dass kognitive Interventionen nicht immer auch ein emotionales „Umdenken“ bewirken und es manchmal inhaltlich nach der erfolgreichen Symptomreduktion „erst richtig losgeht“. Aus diesen Gründen begann man deshalb seit 1990 (angeregt durch fernöstliches Gedankengut) damit, die KVT mit einem Paradoxon anzureichern, dem zufolge Veränderung durch Akzeptanz bzw. ein Fortschreiten durch die Reduzierung des Tempos und durch Innehalten ermöglicht wird. Vor allem die Einbeziehung der sogenannten „dritten Welle“ macht das Buch für all jene interessant, die eine effiziente Zusammenfassung der wesentlichen Indikationen und Methoden der KVT und Anwendungsbeispiele für die „modernen“ Techniken suchen. Dabei werden in den ersten beiden Kapiteln das eingangs erwähnte Grundkonzept vertieft und die wesentlichen Begriffe erklärt, die in der KVT eine Rolle spielen. Wer also etwas über willkürliche Schlussfolgerungen wissen möchte bzw. was es mit dem Konzept der Vulnerabilität oder dem Diathese-Stress-Modell auf sich hat, bekommt hier eine gut strukturierte Einführung, wobei auch Bezug genommen wird auf die Erkenntnisse der affektiven Neurowissenschaften (z. B. LeDoux) sowie auf die paradoxe Reaktion der Unterdrückung – und was sie zum Verständnis vieler Krankheitsverläufe beitragen. Es folgt eine Darstellung der Strategien der KVT sowie ihrer Interventionen: Im Rahmen einer Verhaltensaktivierung werden spezifische Verhaltensformen entwickelt und verstärkt, die das Wohlergehen der Patienten fördern, wobei diese mittels verschiedener Distanzierungs- und Dezentrierungstechniken dazu in die Lage versetzt werden, ihre Gedanken (lediglich) als Hypothesen zu betrachten. Mit sogenannten realitätstestenden Interventionen und angeleiteter Selbstbeobachtung wird überprüft, inwieweit gewisse Reaktionen auf eine Situation gerechtfertigt bzw. funktional sind. „Denkfehler“ oder dysfunktionale Annahmen lassen sich dann ggf. mit den Methoden der kognitiven Umstrukturierung auflösen oder modifizieren.

Das zweite Kapitel befasst sich zunächst mit der Bereitschaft der Patienten, ihr Verhalten zu verändern (transtheoretisches Modell der Veränderung) und mit den Prinzipien einer motivationssteigernden Gesprächsführung. Als wichtigste therapeutische Kompetenz benennt der Autor die Identifikation und selektive Reflexion von Aussagen und Gefühlen (u. a. mittels des Erzeugens von kognitiver Dissonanz), die eine Verhaltensänderung unterstützen. Die Patienten werden dazu ermutigt, bestehende Ambivalenzen aufzulösen und sich für ein funktionales Verhalten zu entscheiden, wobei die Veränderungsstrategien vom ihnen selbst ausgehen und entsprechende Bedenken mit offenen Fragen überprüft werden sollten. Im Sinne einer motivierenden Gesprächsführung werden also zunächst Ziele und Wertvorstellungen herausgearbeitet und die Patienten dann in der Überzeugung gestärkt, dass eine Verhaltensänderung gelingen kann. Eventuellen Widerständen ist hierbei mit Verständnis und Empathie zu begegnen. Des Weiteren findet sich in diesem Kapitel ein kurzer Leitfaden zur diagnostischen Beurteilung sowie eine Beschreibung des allgemeinen Verfahrens und einzelner Techniken der KVT (siehe Abbildung, S. 33).

KVT-Strategien

Wer zu spezifischen Phobien, Panikstörungen und Agoraphobie, sozialer Phobie, Zwangsstörungen, generalisierten Angststörungen, Depressionen, Alkoholproblemen bzw. für den Umgang mit Schmerzen, Schlafstörungen oder sexuellen Problemen Lösungsansätze und Hilfestellungen sucht, wird ab Seite 45 des Buches fündig. In jedem der folgenden Kapitel widmet sich der Autor einem dieser Themen und erläutert das betreffende Störungsbild auf eine (auch) für Laien verständliche Weise, wodurch er gleichzeitig hilfreiche Anregungen für den Dialog mit entsprechenden Patienten gibt. Einleitend beschreibt er immer ein konkretes Beispiel aus der Praxis und zeigt das (von ihm vorgeschlagene) therapeutische Vorgehen auf. Besonders zu loben dabei sind die schematischen Darstellungen bzw. die Schaubilder des jeweiligen Falles sowie der allgemeinen Interventionsstrategien. Texte zur Psychoedukation, eine ganze Reihe passender Interventionen (z. B. Atem- und Achtsamkeitsübungen, die Liebe-Güte-Meditation, Expositionsaufgaben etc.), empirische Befunde zur Wirksamkeit der Methoden sowie spezielle Literaturhinweise für Therapeuten und Patienten runden die einzelnen Abschnitte ab. Empfehlenswert ist dieses Buch sowohl für diejenigen, die ihr Fachwissen auffrischen und etwas über die „dritte Welle“ erfahren möchten, sowie für jene, die darüber nachdenken, ob eine Kognitive Verhaltenstherapie ihnen eventuell dabei helfen kann, die eigene Lebensqualität zu verbessern.

Fazit: Prof. Ph.D. Hofmann ist es mit der „Einführung in die moderne Kognitive Verhaltenstherapie“ gelungen, wissenschaftliche Erkenntnisse und psychotherapeutisches Wirken so kompakt darzustellen und entsprechend schlüssig miteinander zu verbinden, dass man sich am Ende nicht mehr fragt, warum die meisten Lehrstühle im Bereich der klinischen Psychologie inzwischen mit Vertretern der KVT besetzt sind. Das Buch ist spannend geschrieben – und es gibt Hoffnung.

Stefan G. Hofmann. Einführung in die moderne Kognitive Verhaltenstherapie. Springer-Verlag: Berlin, Heidelberg (2013).

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