„Beruf Erzieherin/Erzieher – mehr als Spielen und Basteln“ von Bernd Rudow

„Arbeit ist des Bürgers Zierde.“ Dieser Satz von Friedrich Schiller betont die Bedeutung der Arbeit für den Menschen. Er gilt auch für Erzieherinnen und Erzieher.1 Oberflächliche Betrachtungen stellen ihren Arbeitsalltag etwa so dar: Öffnungszeiten von 8 bis 16 Uhr, Spielen, Basteln und Singen im Vierjahreszeiten-Rhythmus und ein Elternabend pro Halbjahr. Tatsächlich gehört aber bedeutend mehr dazu, eine anspruchsvolle Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsarbeit zu leisten.

Die Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern wird im vorliegenden Buch besonders im Zusammenhang mit der Gesundheit und Leistungsfähigkeit beschrieben, analysiert und bewertet. Hierbei hat die Arbeits- und Organisationspsychologie eine zentrale Stellung. Bisher ist die Tätigkeit von Erzieherinnen und Erziehern überwiegend ein Thema der Erziehungswissenschaft. Es ist jedoch – gemessen an der zunehmenden Bedeutung des Berufs – notwendig, weitere Perspektiven in Forschung und Praxis zu eröffnen. Durch arbeitswissenschaftliche, insbesondere psychologische Betrachtungen kann die Erziehungstätigkeit stärker in ihrer Ganzheitlichkeit erfasst werden. Ein Grundproblem besteht darin, dass im Erzieherberuf zwar die Aufgaben und Anforderungen in den letzten zwanzig Jahren enorm gestiegen sind, jedoch die Arbeitsbedingungen nicht dementsprechend gestaltet worden sind. Deshalb ist die Arbeitswissenschaft, besonders die Arbeits- und Organisationspsychologie, aufgerufen, die Diskrepanz von Anforderungen und Arbeitsbedingungen zu analysieren, zu bewerten und Hinweise zur Gestaltung „guter und gesunder Arbeit“ zu geben. Somit können arbeitswissenschaftliche Studien zur Professionalisierung der Erziehungsarbeit beitragen.

Die Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern gewinnt gegenwärtig an Aufmerksamkeit, weil die frühkindliche Erziehung, Bildung und Betreuung zunehmend in die öffentliche Diskussion kommt. Es besteht ein wesentliches Anliegen darin – wie auch der Titel des Buches zeigt –, den Erzieherberuf in seiner Vielfalt und Komplexität, aber auch in seiner Bedeutung für Kinder und Jugendliche sowie für die gesamte Gesellschaft darzustellen. Schwerpunkt des vorliegenden Fach- und Lehrbuches ist die Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern in Kindertageseinrichtungen (Krippe, Kindergarten, Hort) und in der Ganztagsschule. Hier sind in Deutschland die meisten Erzieherinnen und Erzieher tätig.

Kindertageseinrichtungen sind nicht mehr klassisch nur auf Betreuung und Erziehung fokussiert, sondern sie sind eine Stätte frühkindlicher Bildung geworden. Die Ganztagsgrundschule übernimmt Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsaufgaben, die früher der Familie und familienergänzenden Horten zukamen. Pädagogische Einrichtungen werden zunehmend zum Lebens- und Lernort der Kinder. „Jeder Tag in der Kita oder Schule ist für das Kind ein kleines Leben.“ 2 […]

Die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher – ein Thema für die Arbeitspsychologie

Der Erzieherberuf gehört zu den sozialpädagogischen Berufen. Kaum ein anderer Beruf stand in den letzten Jahren so in der öffentlichen Diskussion wie die Erzieherinnen und Erzieher. Der Erzieherberuf ist „ein Beruf im Spannungsfeld von Gesellschaft und Politik“.3 Es liegt an dem 2008 erlassenen Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz/ KiföG), das ein hochwertiges Betreuungsangebot fördern soll.4 Das KiföG formuliert den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, der seit dem 1. August 2013 gilt. Durch diesen Rechtsanspruch wird die Anzahl der zu betreuenden Kinder in pädagogischen Einrichtungen weiter zunehmen. Damit erhöht sich die Nachfrage nach qualifiziertem Personal in den nächsten Jahren. Darüber hinaus ist die frühkindliche Erziehung, Bildung und Betreuung mit den Streiks der Erzieherinnen und Erzieher für einen tariflich geregelten Gesundheitsschutz im Jahre 2009 und für höhere Löhne im Jahre 2015 in die Öffentlichkeit gekommen. Somit ist transparent geworden, dass sie eine wichtige Basis für das Erreichen gesellschaftlicher Ziele ist, seien es Vollbeschäftigung und Innovationsfähigkeit der Wirtschaft , Erwerbsbeteiligung von Frauen, Chancengleichheit für Migranten und Flüchtlinge oder Sicherung des Generationenvertrags.

Die Tätigkeit von Erzieherinnen ist bislang als Arbeit wissenschaftlich wenig untersucht und dargestellt worden. Im Vergleich zur Lehrerforschung, die etwa ab 1980 forciert wurde 5, erfährt die Berufsgruppe der Erzieherinnen erst seit Ende der 1990er-Jahre eine Aufmerksamkeit. Einzelne Aspekte der Tätigkeit wurden überwiegend in den Erziehungswissenschaft en erfasst. Jedoch wurde das Verhalten pädagogischer Fachkräfte in der Forschung lange Zeit ausgeklammert, obgleich diese Arbeit eine große gesellschaftliche Bedeutung hat. „Die Erzieherin ist Fachfrau für Elementarpädagogik. Sie trägt Verantwortung dafür, dass Kinder in den frühen Jahren ihrer Entwicklung die entscheidenden Lernschritte gehen können.“6 Die arbeitswissenschaftliche, vorrangig arbeits psychologische Perspektive trägt wesentlich dazu bei, die Tätigkeit von Erzieherinnen als Arbeit ganzheitlich zu verstehen. Denn hierbei werden die Arbeitsaufgaben und Arbeitsbedingungen und ihre Auswirkungen auf Erzieherinnen in der Gesamtheit und Komplexität erfasst (siehe Infobox 1). In diesem Rahmen nimmt auch das Thema Management und Führung an Bedeutung zu. Dies gilt besonders für die Tätigkeit von Leitungskräften in Kindertageseinrichtungen.

Infobox 1: Begriff Arbeitswissenschaft 7

Die Arbeitswissenschaft beschäftigt sich als angewandte Wissenschaft mit der Analyse, Beschreibung, Bewertung und Gestaltung der organisatorischen, sozialen und technischen Bedingungen von Arbeitsprozessen. Ihr Ziel besteht darin, die Arbeit effektiv (Ergebnisorientierung), effizient (Relation von Ressourceneinsatz und Nutzen) und menschengerecht (Humanität) zu gestalten.

Erzieherinnen leisten eine gesellschaftlich bedeutsame Erwerbsarbeit. Ihre Arbeit ist eine Humandienstleistung, d.h. eine soziale Dienstleistung für Kinder und Jugendliche und im weiteren Sinne für Eltern und weitere Erziehungspersonen. Aufgabe der Arbeitswissenschaft ist es, die Arbeit der Erzieherinnen zu analysieren, zu beschreiben, zu bewerten und zu gestalten. Dabei werden alle Arbeitsaufgaben und Arbeitsbedingungen, damit verbundene Belastungen sowie ihre Auswirkungen auf die Persönlichkeit, Gesundheit und Leistungsfähigkeit erfasst.8 Im Mittelpunkt steht die arbeitende Person, d. h. die Erzieherin oder der Erzieher. Die Arbeit mit Kindern ist effizient, wenn bei angemessenem Einsatz von Ressourcen (Personal, Zeit, Material, Finanzen u.a.m.) die definierten Arbeitsziele erreicht werden. Die Arbeit soll nicht nur die Persönlichkeit, das Wohlbefinden und die Gesundheit der Kinder fördern, sondern auch nachhaltig zur Gesundheit, zum Wohlbefinden, zur Leistungsfähigkeit und zur Persönlichkeitsbildung der Erzieherinnen beitragen.

Die komplexe Arbeitswelt der Erzieherin (Quelle: Renate Alf)

Bei diesem Vorhaben hat die Arbeitspsychologie eine große Bedeutung (siehe Infobox 2). In der Kita-Welt spielt bislang in Bezug auf das Kind die Pädagogische-, Erziehungs- und Entwicklungspsychologie eine wesentliche Rolle. Im Kontext der Arbeit der Erzieherinnen muss jedoch die Arbeitspsychologie und im weiteren Sinne die Arbeits- und Organisationspsychologie stärkere Beachtung finden.

Arbeits- und Organisationspsychologie sind im engen sachlogischen Zusammenhang zu sehen. Denn Arbeit ist schon immer „organisiert“. Die Analyse, Gestaltung und Bewertung der Arbeitstätigkeit, die Gegenstand der Arbeitspsychologie sind, kann nicht getrennt werden von den organisatorischen Bedingungen der Arbeitstätigkeit. Die Organisationspsychologie hat eine enge Beziehung zur Systemtheorie, zur Organisationswissenschaft und zur Sozialpsychologie in der Arbeit. Manche Autoren, z.B. Hacker (1998, S. 36), betrachten deshalb die Organisationspsychologie als Teildisziplin der Arbeitspsychologie.

Das Anliegen besteht darin, eine „Arbeitspsychologie der Erziehungstätigkeit“ zu entwickeln. Schwerpunkt ist dabei die psychische Struktur und Regulation dieser Tätigkeit. Es geht um die Fragen, welche psychischen Eigenschaften und Prozesse die Erziehungsarbeit bestimmen und welche psychischen Auswirkungen diese Arbeit auf Erzieherinnen hat.

Infobox 2: Begriff Arbeitspsychologie 9

Die Arbeitspsychologie beschäftigt sich mit der Analyse, Beschreibung, Erklärung und Regulation des Verhaltens und Erlebens von Menschen in der Arbeit. Das Ziel besteht darin, die Arbeit in Organisationen, Gruppen und von Personen human zu gestalten, d.h. gesundheits-, leistungs- und persönlichkeitsförderlich.

Die Kinderkrippe, der Kindergarten, der Hort, die Ganztagsschule oder Einrichtungen der Kindertagespflege und der stationären Kinder- und Jugendhilfe (Heime) weisen gemeinsame Eigenschaften aus. Es sind dauerhafte soziale Gebilde, in denen durch die Tätigkeit der Pädagogen auf Grundlage eines Arbeitsauftrags humane und wirtschaftliche Ziele angestrebt werden. Unser ganzes Leben spielt sich in Organisationen ab – sei es in der Kindertagesstätte, in der Schule, im Betrieb, im Sportverein, in der Partei oder in der Kirche. Kita und Grundschule sind die Organisationen, in denen für viele Menschen das „organisierte Leben“ beginnt und somit prägend in der Sozialisation sind. Die Arbeitspsychologie untersucht das Verhalten und Erleben der Erziehungspersonen bei ihrer Arbeit in diesen Organisationen (siehe Infobox 2).

Die Arbeitspsychologie ist deshalb notwendig, weil in Deutschland die Qualität des Arbeitslebens in pädagogischen Berufen als Forschungsthema bislang wenig beachtet worden ist. Dies gilt besonders für die Arbeit von Erzieherinnen. Die erziehungswissenschaftliche Forschung untersucht diverse Interaktionen von Pädagogen und Kindern unter Berücksichtigung ausgewählter Rahmenbedingungen. Aber die komplexe Arbeitstätigkeit der Erzieherinnen wird nicht hinreichend erfasst.

Die Arbeit der pädagogischen Fachkräfte ist multidimensional zu verstehen, wobei – in Anlehnung an die angloamerikanische Forschung – folgende Dimensionen zu untersuchen sind:

  • Work Design (Arbeitsgestaltung): Sie beschreibt die Arbeitsinhalte und -aufgaben, die Arbeitsumgebung, die Arbeitsmittel und die organisatorischen Rahmenbedingungen der Arbeit von Erzieherinnen.
  • Work Life/Home Life (Wechselwirkung von Arbeits- und Privatleben): Darunter sind Arbeitsfaktoren zu verstehen, die sich unmittelbar auf das Privatleben auswirken, wie z.B. die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Arbeitszeit- und Urlaubsgestaltung.
  • Work Context (sozialer Arbeitskontext): Hier werden solche Faktoren erfasst, die die Beziehungen und Interaktionen von Erzieherinnen zu anderen Personen in und außerhalb der pädagogischen Einrichtung betreffen, z.B. zu Kolleginnen, zum Träger oder zu den Eltern.
  • Work World (gesellschaftlich-kultureller Arbeitskontext): Hiermit sind solche Faktoren gemeint, die außerhalb der unmittelbaren Arbeit liegen, wie z.B. das Ansehen des Erzieherberufs in der Öffentlichkeit oder die Bezahlung.

Kindertageseinrichtungen als soziale Organisationen

Die Tätigkeitsfelder von Erzieherinnen und Erziehern sind vielfältig. Sie arbeiten in Kinderkrippen, Kindergärten, Horten, Schulen (insbesondere Ganztagsgrundschulen), Behinderteneinrichtungen, in der stationären Kinder- und Jugendhilfe und in Freizeiteinrichtungen, aber auch in Krankenhäusern oder in der Altenarbeit. Die Kita-Erzieherinnen stellen dabei die weitaus größte Gruppe dar. Im Jahre 2015 waren in Deutschland etwa 642.300 pädagogische Fachkräfte 10 in Kindertageseinrichtungen tätig. 11 Im Jahr 2015 wurden 2,6 Millionen Kinder unter sechs Jahren in Kindertageseinrichtungen betreut. Knapp 700.000 Kinder waren unter drei Jahre alt; das entspricht einer Betreuungsquote von 33 Prozent. Im Alter zwischen drei und sechs Jahren besuchten 95 Prozent der Kinder (Gesamtzahl 1,9 Millionen) eine Kindertageseinrichtung.

Mit „Organisation“ werden in der Regel zwei Sachverhalte bezeichnet: (1) der Prozess des Organisierens (Arbeitsorganisation, Ablauforganisation u. dgl. m.) und (2) das organisierte soziale System von Individuen. Kindertageseinrichtungen sind soziale Organisationen. Als solche werden alle institutionalisierten sozialen Gebilde verstanden, die größer als Kleingruppen und kleiner als die gesamte Gesellschaft sind. Eine Organisation lässt sich bestimmen als

  • ein der Umwelt gegenüber off enes System,
  • das zeitlich überdauernd existiert,
  • bestimmte Ziele verfolgt,
  • sich aus Personen bzw. Gruppen zusammensetzt (soziales Gebilde),
  • eine soziale Struktur aufweist, die durch Arbeitsteilung und eine Hierarchie von Kompetenz und Verantwortung gekennzeichnet ist.

Jede Organisation verfolgt einen spezifischen Zweck. Jedes Organisationsmitglied erhält von der Organisation Anreize und leistet dafür Beiträge an die Organisation. Die Anreize (Verhalten der Kinder, Führungsstil, Teamklima, Bezahlung, Arbeitszeit u.a.m.) sollten den Beiträgen des Organisationsmitglieds entsprechen. Anderenfalls reagieren die Mitglieder mit Kündigung, Streik oder „innerer Emigration“. Jede Organisation weist formale Regelungen auf, die das Verhalten der Organisationsmitglieder und deren Rollen bestimmen.

Die Kita ist eine komplexe Organisation, in der unter einer Leitung (Kita-Leitung, Träger) eine größere Anzahl von Personen mit unterschiedlichen Kompetenzen tätig ist. Organisationsmitglieder sind im engeren Sinne die pädagogischen Fachkräfte, der Hausmeister, Reinigungskräft e, das Küchenpersonal und die Kinder sowie im weiteren Sinne Experten wie z.B. Sozialpädagogen, -arbeiter, Psychologen, Lehrer, Ärzte, Physiotherapeuten und die Eltern. Die pädagogischen Fachkräfte arbeiten mit allen weiteren Personen zusammen.

„In der Kita arbeiten und leben viele Menschen zusammen – Kinder, Erzieherinnen und Erzieher, Kita-Leiterinnen oder -Leiter, Köchinnen und Köche, Reinigungskräfte und Hausmeister, hinzu kommen Eltern, Verantwortliche des Trägers und der Kommune. Sie alle bilden ein System, das jeder der Beteiligten unterschiedlich erlebt. Jeder bringt persönliche Erfahrungen mit ein, gestaltet das System Kita mit entsprechenden Rollenerwartungen aus und verbindet damit verschiedene Erwartungen, Hoffnungen, Ängste, Perspektiven und Visionen.“ (Bertelsmann Stiftung 2012, S. 15)

Die Organisation Kita hat Systemcharakter. Es ist ein soziotechnisches System mit einem sozialen und einem technischen Teilsystem (siehe Abb. 1). Während in der klassischen Kita das soziale Teilsystem, d.h. die Mensch-Mensch-Interaktion, eindeutig dominierte, gewinnt gegenwärtig das technische Teilsystem, d.h. die Mensch-Technik-Interaktion, infolge der Digitalisierung unseres Lebens an Bedeutung. Dazu gehört besonders die zunehmende Relevanz von mobilen Medien und dem Internet der Dinge. Diesem Trend wird z.B. mit dem Projekt „Kita 4.0“ entsprochen.12 Frühe Bildung in der digitalen Welt umfasst in der Kita zwei zusammenhängende Aspekte:

  • Digitalisierung als Gegenstand bzw. Inhalt von früher Bildung, d.h. Bildung über die digitale Welt und deren Technologien,
  • Digitalisierung als Werkzeug bzw. Methode im frühen Bildungsprozess, d.h. Bildung mit digitalen Medien und Technologien.

Abb. 1: Kindertageseinrichtung und Schule als soziotechnisches System

Soziale Organisationen zeichnen sich durch eine Dienstleistung für Kinder – und im erweiterten Sinne für Eltern – in Form von Bildung, Erziehung und Betreuung aus. Dabei geht es im Gegensatz zu Wirtschaftsunternehmen nicht in erster Linie um Profit, sondern um die Verfolgung sozialer Zwecke. […]

Jede Organisation weist bestimmte Namen, Merkmale und Strukturen auf. In Deutschland heißen je nach Region unterschiedliche Einrichtungen „Kindertagesstätte“. Dies sind

  • die Kinderkrippe (für Kinder unter drei Jahren: U 3),
  • der Kindergarten (für drei- bis sechsjährige Kinder),
  • der Hort oder Schulhort (für Grundschulkinder vor Schulbeginn und nach Schulende).

Zum Teil werden nur Ganztagseinrichtungen (für jegliches Alter) oder Einrichtungen, welche die Betreuung für alle drei Altersgruppen (Kinderkrippe, Kindergarten, Hort) umfassen, Kindertagesstätte genannt.

Friedrich Wilhelm August Fröbel gründete 1840 den ersten Kindergarten in Bad Blankenburg (Thüringen). Fröbel wählte den Namen „Kindergarten“, weil ein Kind wie eine Pflanze gepflegt und heranwachsen soll. Die Amerikaner übernahmen nicht nur das Wort „Kindergarten“, sondern auch das Konzept. Der erste Kindergarten in den USA, in Watertown (Wisconsin), wurde 1856 von der Fröbel-Schülerin Margarethe Schurz gegründet. […]

Wie arbeiten Erzieherinnen und Erzieher? Tätigkeit, Aufgaben und Anforderungen

Diese Frage muss aus (arbeits-)wissenschaftlicher Sicht gestellt werden, da die berufliche Tätigkeit von Erzieherinnen und Erziehern oft nicht im klassischen Verständnis als Arbeit aufgefasst wird. Ostendorf schreibt im Bericht der Friedrich-Ebert-Stiftung (2016, S. 16) zutreffend in Bezug auf die Historie der Arbeit von Erzieherinnen: „Die tatsächliche Arbeit von Erzieher_innen fand keine Beachtung – und auch heute weiß man wenig darüber.“ Auch Remsberger (2011) beklagt, dass das Erzieherverhalten im Kindergarten in der empirischen Forschung lange ausgeklammert wurde.13 Es gibt nach wie vor zu wenige empirische Analysen zur Erziehungstätigkeit in Kindertagesstätten, geschweige denn arbeitswissenschaftliche Studien.

Arbeit ist neben Lernen und Spiel die Grundtätigkeit des Menschen. Sie bestimmt wesentlich den Sinn unseres Lebens. Für Erzieherinnen ist kennzeichnend, dass ihre Arbeit mit den beiden anderen Grundtätigkeiten, d.h. mit Lernen und Spiel, eng verbunden ist. Arbeit ist jede körperliche und geistige Tätigkeit des Menschen,

  • die zielgerichtet und zweckbezogen ist,
  • die auf Grund vorgegebener oder selbst bestimmter Aufgaben stattfindet,
  • die mit Hilfe von Arbeitsmitteln erfolgt,
  • die der Aneignung und Veränderung der gegenständlichen Umwelt dient,
  • die der Inanspruchnahme und Entwicklung individueller oder kollektiver Handlungskompetenzen dient,
  • die der Befriedigung individueller oder kollektiver Bedürfnisse dient,
  • die einer ökonomischen, sozialen und gesellschaftlichen Bewertung unterliegt.

Durch den Wandel und die Erweiterung der Aufgaben besonders im Bildungs- und Erziehungsbereich sind in den letzten Jahren zunehmend größere individuelle, aber auch kollektive Handlungskompetenzen bei Erzieherinnen gefragt. Die Ansprüche und Bedürfnisse von Erziehungspersonen sind überwiegend auf das Kind gerichtet. Erkennbare Entwicklungen des Kindes dienen der Bedürfnisbefriedigung und somit dem Erfolgserleben im Beruf. Da der Erzieherberuf ein Öffentlichkeitsberuf ist, erfolgen diverse, teilweise widersprüchliche soziale Bewertungen durch Eltern, Kinder, Medien, Träger u.a.m.. Zunehmend unterliegen früh- und sozialpädagogische Einrichtungen als Klein- oder mittlere Betriebe auch ökonomischen Bewertungen. Arbeit dient der Erstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung. Der Kern ist in psychologischer Sicht die Arbeitstätigkeit. Diese wird von subjektiven und objektiven Faktoren bestimmt (siehe Abb. 2):

  • Die Handlungsfähigkeit ist definiert durch das Wissen und Können der Erzieherinnen. Übereinstimmung besteht darüber, das Wissen und Können zentrale Komponenten der professionellen Handlungsfähigkeit von Erzieherinnen darstellen. Weitaus weniger Übereinstimmung besteht aber darin, welches spezifische Wissen und Können die Handlungsfähigkeit in der Praxis bestimmt. Es geht hierbei um das praktische Wissen und Können. Dieses Wissen ist ausbildungs- und erfahrungsabhängig, in spezifische Zusammenhänge eingebettet und auf konkrete Alltagssituationen bezogen. Dabei ist offen, wie weit das praxisbezogene Wissen der Erzieherinnen Expertenwissen darstellt […]..
  • Die Handlungsbereitschaft ist die Ausprägung der Bereitschaft der Erzieherinnen, den gestellten Arbeitsauftrag zu übernehmen und damit verbundene Arbeitsaufgaben zu erfüllen. Sie ist bestimmt durch die Motivation zur Berufsausübung sowie durch berufsbezogene Überzeugungen, Werthaltungen und Interessen.
  • Organisatorische Rahmenbedingungen sind z.B. Standort, Tarifverträge, Dienstvereinbarungen, Beschäftigungsverhältnis, Entlohnung, Regeln im Umgang mit Eltern, Normen der Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen u.a.m. […].
  • Zu den Arbeitsbedingungen zählen der Arbeitsplatz, die Arbeitsorganisation und die Arbeitsumwelt, unter denen Arbeitsaufgaben mit Hilfe von Arbeitsmitteln erfüllt werden.
  • Als Arbeitsaufgabe wird eine Soll-Leistung verstanden, die durch den Einsatz von Personal im Rahmen der Gesamtaufgabe der Organisation zu erfüllen ist. Sie lässt sich beschreiben
    • durch einen Verrichtungsvorgang, der kognitiv und/oder motorisch und/oder verbal sein kann, 14
    • durch ihren Gegenstand (Kinder, Eltern, externe Partner u.a.m.)
    • durch den Einsatz von Sach-, Hilfs- und Arbeitsmitteln, die zur Erfüllung der Aufgabe notwendig sind,
    • durch ihren räumlichen Bezug,
    • durch ihren zeitlichen Bezug.

Abb. 2: Einflussfaktoren auf die Arbeitstätigkeit der Erzieherinnen und Erzieher

Die Arbeitstätigkeit der Erzieherinnen und Erzieher kann wie folgt charakterisiert werden:

  • Die Tätigkeit ist überwiegend Erwerbsarbeit. Das heißt, sie wird auf dem Arbeitsmarkt angeboten bzw. nachgefragt. Die Erzieherin/der Erzieher erhält für die geleistete Arbeit einen Lohn. Erwerbsarbeit kann selbstständig (Kindertagespflege) oder in einem Beschäftigungsverhältnis geleistet werden. Die meisten Erzieherinnen befinden sich in einem sicheren Arbeitsverhältnis. Allerdings arbeitet mehr als die Hälfte der Kita-Erzieherinnen in Teilzeit (siehe Kapitel III: 3.4.). Auch die Anzahl befristeter Arbeitsverhältnisse nimmt zu. Insgesamt sind Erzieherinnen mit ihrem Einkommen unzufrieden […]. 15
  • Die Tätigkeit beginnt mit der Übernahme eines Arbeitsauftrages (siehe Abb. 7). Der Arbeitsauftrag ist ein arbeitsrechtlicher Sachverhalt. Er ist eine im Arbeitsvertrag fixierte schrift liche Aufforderung an die Erzieherinnen, eine bestimmte Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungstätigkeit gegenüber Kindern in Zusammenarbeit mit weiteren Personen auszuüben. Der Arbeitsauftrag ist komplex, da er viele Arbeitsaufgaben mit verschiedenartigen Anforderungen enthält.
  • Aus dem Arbeitsauftrag werden Arbeitsaufgaben abgeleitet. Diese werden von der Erzieherin interpretiert. Die Aufgabe hat eine objektive Seite, indem sie aus dem Arbeitsauftrag des Trägers abgeleitet wird. Sie ist insofern subjektiv, da dieselbe Arbeitsaufgabe von den Erzieherinnen unterschiedlich interpretiert werden kann. Bei der Interpretation einer Arbeitsaufgabe sind subjektive Aspekte bedeutsam:
    • das Ausmaß, in dem die Erzieherin die Aufgabe akzeptiert und bereit ist, diese zu erfüllen (Leistungsbereitschaft ),
    • das Ausmaß, in dem die Aufgabe den Bedürfnissen, Ansprüchen und Erwartungen der Erzieherin entspricht (Zufriedenheit),
    • der Einfluss vorheriger Erfahrungen der Erzieherin mit vergleichbaren Aufgaben (Berufserfahrung).
  • Die Tätigkeit der Erzieherinnen ist durch Aufgabenvielfalt und -komplexität gekennzeichnet. Die Aufgaben weisen unterschiedlichste Inhalte auf. Sie reichen von der inhaltlichen und methodischen Vorbereitung einer Projektarbeit über Pausenaufsicht, Gespräche mit Kindern, Kollegen, Eltern, Dokumentations- und Verwaltungsaufgaben bis zur Weiterbildung. Ihre Erfüllung erfolgt oft – im Sinne von „Multitasking“ – in kurzen Zeitabständen und voneinander abhängig (z.B. Vorlesen aus einem Buch und gleichzeitig Verantwortung für das gesamte Freispiel der Kinder).
  • Grundsätzlich unterscheidet man den Arbeitsauft rag bzw. die Arbeitsaufgaben und diejenigen Arbeitsbedingungen, unter denen der Auftrag bzw. die Aufgaben auszuführen sind. Diese bezeichnen wir als Ausführungsbedingungen. Dazu gehören
    • raum-zeitliche und Umgebungsbedingungen (Arbeitsplatz, Arbeitsraum, Licht/Beleuchtung, Akustik/Lärm, Mikroklima, usw.)
    • arbeitsplatzspezifische Bedingungen (fester vs. wechselnder Arbeitsplatz, Einsatz von Technologien, Kooperations- und Kommunikationsmöglichkeiten u.a.m.)
    • arbeitstätigkeitsspezifische Bedingungen (technische Einrichtungen und Programme, Regeln des Vorgehens, Zeitbindung, etc.)
    • organisatorische Rahmenbedingungen (Standort, Erwerbsform, Arbeitsrecht, Beschäftigungsverhältnis, Entlohnungsform).
  • Die Erziehungsarbeit ist durch Bedingungsvielfalt und -variabilität bestimmt. Die Aufgabenerfüllung erfolgt oft unter wechselnden Bedingungen; denn die Stimmung der Kinder, ihre Leistungsfähigkeit, die Tageszeit, der Lärmpegel, die Gruppengröße, die Gruppenzusammensetzung, usw. sind keinesfalls konstant. Dieselben Arbeitsaufgaben werden oft unter verschiedenen Ausführungsbedingungen erfüllt.
  • •Die Arbeitstätigkeit der Erzieherinnen ist hierarchisch aufgebaut (siehe Abb. 3). Es werden unterschieden
    • – die (Gesamt-)Tätigkeit
    • – Teiltätigkeiten und
    • – Handlungen.

Die Tätigkeit ist der Oberbegriff . Die Gesamttätigkeit umfasst die Bildung, Erziehung und Betreuung. Sie ist durch Motive bestimmt. Diese machen den Antrieb und persönlichen Sinn ihrer Tätigkeit aus.16 Die Motive sind die zentrale Kategorie beruflicher Identität. Handlungsziele sind das entscheidende Moment der Tätigkeit. Ziele veranlassen Tätigkeiten, bestimmen die auszuführenden Handlungen und stellen einen angestrebten, zukünftigen Zustand dar.

Die einzelnen Motive können bei Erzieherinnen unterschiedlich ausgeprägt sein. Die Erziehungsarbeit kann (mehr oder minder) von „Helfer“motiven (z.B. „Ich möchte den Kindern auf ihrem Weg ins Leben helfen.“), von Erlebnismotiven (z.B. „Die Arbeit mit Kindern macht mir Spaß.“), von Sicherheitsmotiven (z.B. „Als Erzieherin habe ich eine sichere, unbefristete Beschäftigung.“), usf. bestimmt sein. Die Ziele sind einerseits durch das Bildungsprogramm und das pädagogische Konzept vorgegeben. Andererseits haben pädagogische Fachkräfte einen persönlichen Entscheidungsspielraum dafür, im Rahmen der vorgegebenen Hauptziele sich eigene Ziele in der Arbeit mit den Kindern zu setzen.

Abb. 3: Ebenen der Arbeitstätigkeit der Erzieherin

Die Gesamttätigkeit lässt sich in Teiltätigkeiten und Handlungen aufgliedern. Teiltätigkeiten sind z.B. Administration/Dokumentation, Pflegearbeiten, Projektarbeit, Spielen, Bastelarbeiten, Singen mit Kindern u.a.m. […]. Eine Teiltätigkeit stellt anforderungsbezogen eine Gruppe von Handlungen dar. Als Handlung wird eine in sich geschlossene Einheit der Tätigkeit verstanden. Sie ist bestimmt durch das Ziel, das die Antizipation (Vorwegnahme) des Ergebnisses der Handlung darstellt. Eine Handlung der Erzieherin ist beispielsweise bei Bastelarbeiten (= Teiltätigkeit) das Schneiden oder Kleben von Pappe in gewünschte Formen.

  • Bei der Ausführung von Teiltätigkeiten bzw. Handlungen unter bestimmten Bedingungen werden Anforderungen an die Erzieherinnen gestellt. Diese können physischer, psychischer und sozialer Art sein. Physische Anforderungen sind z.B. Geschicklichkeit (feinmotorische Handlungen), Muskelkraft (Heben und Tragen von Kindern, Mobiliar) und die körperliche Fitness über einen langen Arbeitstag. Psychische Anforderungen umfassen kognitive Fähigkeiten (Problemlösen, Kreativität, Planungsfähigkeit u.a.m.), motivationale und emotionale Kompetenzen (z.B. Einstellungen, emotionale Stabilität, Emotionsarbeit im Umgang mit Kindern). Soziale Anforderungen betreffen vor allem die Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit und Empathie. Im Erzieherberuf sind es insbesondere die sozial-kommunikativen, emotionalen und motivationalen Anforderungen, die sich oftmals als komplex und widersprüchlich erweisen und somit schwer zu bewältigen sind.
  • Zur anforderungsgerechten Ausübung einer Arbeitstätigkeit sind individuelle Kompetenzen erforderlich. Die individuelle Handlungskompetenz einer Erzieherin zur Bewältigung von Arbeitsaufgaben und -anforderungen umfasst alle erforderlichen Leistungsvoraussetzungen (siehe unten).
  • Die bewusste, zielgerichtete Tätigkeit der Erzieherin ist durch folgende kognitive Leistungen oder Phasen bestimmt:
    1. Interpretation der Arbeitsaufgabe, d.h. der Arbeitsauftrag und die daraus abgeleiteten Aufgaben werden definiert und bewertet (z.B. „Was wird von mir verlangt? Was soll ich machen“?);
    2. Ziele setzen, d.h. auf Grundlage des übernommenen Arbeitsauftrags setzt sich die Erzieherin Arbeitsziele (z.B. „Welche pädagogischen Ziele kann ich mir stellen?“);
    3. Orientieren, d.h. die Erzieherin prüft die Handlungsmöglichkeiten und -bedingungen zur Zielerreichung (z.B. „Welche Teiltätigkeiten und Handlungen kann ich unter welchen Bedingungen wie und wann durchführen?“);
    4. Planen (individuelle Arbeitsplanung), d.h. die Festlegung des individuellen Vorgehens zur Zielerreichung unter Beachtung notwendiger Teiltätigkeiten und Handlungen, möglicher Teilziele, der Anzahl und Kompetenzen der Kinder, der zur Verfügung stehenden Arbeits- und Spielmaterialien sowie zeitlicher und räumlicher Bedingungen;
    5. Entscheiden, d.h. die endgültige Auswahl und Festlegung des individuellen Handlungsprogramms zur Zielerreichung;
    6. Ausführen, d.h. die praktische Umsetzung des individuellen Handlungsprogramms in der Arbeit mit den Kindern.
  • Kern der Arbeitstätigkeit sollte die Interaktion von Erzieherin und Kind sein. Dabei findet eine pädagogische Einflussnahme auf das Kind statt. Je nach Einwirkung auf die Persönlichkeit des Kindes erfolgen Rückmeldungen an die Erzieherin (siehe Abb. 4). Der Kontakt mit den pädagogischen Fachkräften hat für Kinder einen hohen Stellenwert. Eine gute Beziehung zur Erzieherin hat großen Einfluss darauf, dass Lern- und Entwicklungsprozesse gelingen. Umso intensiver die Interaktion von Erzieherin und Kind ist, desto positiver ist das Verhalten der Kinder.17 Rückwirkend tragen aber auch die Leistungen des Kindes zum Erleben und Verhalten der Erzieherin bei. Während der Einfluss der Erzieherin auf das Verhalten des Kindes häufiger untersucht worden ist, findet die Einflussnahme des Kindes auf das Verhalten und Erleben der Erzieherin bislang kaum Beachtung.

Abb. 4: Erzieher/in-Kind-Interaktion

  • Ein wesentliches Merkmal der Erziehungstätigkeit sind Rückmeldungen. Rückmeldungen über Projektarbeiten, über methodisch-didaktische Vorgehensweisen, über Lehrmethoden, über durchgeführte Spiele u.a.m. durch die Kinder, die Eltern, die Kolleginnen, die Leitung oder den Träger sind für die Erzieherin wichtig. In der Regel ist ihre Tätigkeit durch Rückmeldungen gekennzeichnet, die wenig systematisch, oft sporadisch, einseitig, unklar und zeitlich deplatziert erfolgen. Die Arbeit der Erzieherin hat wesentlichen Einfluss nicht nur auf das Kind, sondern über Rückmeldungen auf ihre eigene Persönlichkeitsentwicklung.
  • Die Arbeit der Erzieherin ist Mehrfachtätigkeit. Das heißt: Die Erzieherin hat oft mehrere Aufgaben, teilweise zeitlich parallel, zu erfüllen („Multitasking“). Dabei sind einige Handlungen Routine (z.B. Anwesenheit aller Kinder prüfen), einige automatisiert durch Abrufen hochgeübter Programme (z.B. Gespräche mit Eltern, Bildung eines Morgenkreises), andere Handlungen werden mit großer Aufmerksamkeit ausgeübt (z.B. Planung und Durchführung eines neuen Projekts).
  • Die erfolgreiche Ausübung der Arbeitstätigkeit fordert Leistungsvoraussetzungen der Erzieherin. Leistungsvoraussetzungen bezeichnen die zur forderungsgerechten Erfüllung eines Arbeitsauft rages verfügbaren physischen und psychischen Eigenschaften und Kompetenzen des Menschen, z.B. Fähigkeiten, Einstellungen und Erfahrungen. Die Arbeitstätigkeit kann nur erfolgreich ausgeübt werden, wenn die Erzieherin anforderungsbezogen über die notwendigen individuellen Leistungsvoraussetzungen verfügt.
  • Die Arbeitstätigkeit der Erzieherin ist in ihren wesentlichen Merkmalen gesellschaftlich bestimmt. Die Handlungen ergeben sich aus der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und werden in der Öffentlichkeit (Eltern, Kinder, Medien u.a.m.) bewertet. Wesentlich tragen dazu auch die Bildungs- und Erziehungspläne der Länder, das Sozialgesetzbuch VIII und weitere Gesetze und Verordnungen bei.

Im letzten Jahrzehnt hat sich ein gravierender Anforderungswandel in der Arbeit von Erzieherinnen vollzogen.26 „Wenn ich sehe, was wir vor 20 Jahren leisten mussten und was wir heute leisten müssen“, bilanziert Susanne Frick, Erzieherin aus Dudenhofen: Arbeitsvolumen und -inhalte seien stark angewachsen. „Man kann nicht dasselbe Gehalt zahlen, das man vor 20 Jahren gezahlt hat“, merkte sie an.18 Die Anforderungen im Erzieherberuf haben sich teilweise von einer „familienergänzenden“ hin zu einer „familienersetzenden“ Betreuung der Kinder verschoben.

Prof. Dr. Bernd Rudow studierte Psychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er wurde 1980 an der Technischen Universität Dresden promoviert (Dr. rer. nat.). Die Habilitation erfolgte an der Universität Mannheim (1990). Prof. Dr. Rudow war als Hochschullehrer an den Universitäten Leipzig, Koblenz-Landau, Heidelberg, Opole (Polen), Tampa (USA) und an der Hochschule Merseburg tätig. Zurzeit ist er als Hochschullehrer, Verhaltenstrainer und Unternehmensberater tätig. Seine Forschungsthemen sind: Betriebliches Gesundheits- und Stressmanagement, Arbeitsanalyse und -gestaltung, psychische Belastungen und Gesundheit, betriebliche Informationssysteme und Usability, Personalführung und -pflege. Die Forschung findet vorrangig im pädagogischen Bereich (Lehrer/innen, Erzieher/innen) und in der Automobilindustrie (Volkswagen AG) statt. Aus ihr gingen 125 wissenschaftliche Publikationen, u.a. fünf Monografien, hervor. Kontakt: http://www.prof-rudow.de/

Quelle:

Fußnoten:

  1. Der überwiegende Teil (mehr als 95 Prozent) der Erziehungspersonen sind weiblich. Demzufolge wird im Text in der Regel der Begriff Erzieherinnen verwendet. Die Ausführungen beziehen sich jedoch stets auf beide Geschlechter. Gleiches gilt für die maskuline Berufsbezeichnung, die wegen der besseren Lesbarkeit – insbesondere bei Wortverbindungen – verwendet wird. Die feminine Bezeichnung wird auch favorisiert, da die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studien überwiegend auf Einschätzungen von Erzieherinnen beruhen.
  2. erweitert nach A. Schopenhauer (1788–1860)
  3. Vgl. Ebert (2006)
  4. Kinderförderungsgesetz (2008)
  5. Z.B. Rudow (1995)
  6. Eibeck (2003, S. 14)
  7. Siehe ausführlich Luczak (1998), Schlick, Bruder & Luczak (2010)
  8. „Leistung“ war in der Vergangenheit kein zentrales Thema in sozialen Organisationen. Da sich aber Kitas unter Qualitätsaspekten zunehmend dem Wettbewerb stellen müssen, ist der Leistungsbegriff in der Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher zu beachten.
  9. Siehe zur Arbeitspsychologie bzw. Arbeits- und Organisationspsychologie die Standardwerke von Sonntag et al. (2012), Nerdinger, Blickle & Schaper (2014), Kals & Gallenmüller-Roschmann (2011), Ulich (2011), Marcus (2011) und Schuler & Moser (2014).
  10. Mit dem Begriff pädagogische Fachkräfte werden im folgenden Text alle Pädagogen bezeichnet, die in der Kindertagesbetreuung im Elementar- und Primarbereich arbeiten. Dazu gehören überwiegend die Erzieherinnen und Erzieher, ferner Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Sozialassistenten, Kindheitspädagogen, Heilpädagogen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Gesundheits- und Krankenpfleger, Krankengymnasten und Beschäftigungstherapeuten. Erzieherinnen und Erzieher sind Personen, die in der Regel eine berufliche Ausbildung an Fachschulen absolviert haben.
  11. Im vorliegenden Buch wird die Abkürzung „Kita“ als Oberbegriff für alle Kindertageseinrichtungen (Kinderkrippe, Kindergarten, Hort) gewählt.
  12. Siehe dazu z.B. die Veranstaltung „Digitale Medien in der Kita“ auf der Bildungsmesse didacta in Stuttgart (2017), die Zeitschrift „Kinder, Kinder“, Heft 4/2013, mit dem Schwerpunkt „Medien in der Kita“; auch Knauf (2010) und Reichert-Garschhammer (2016)
  13. Unter empirischer Forschung sind wissenschaftliche Studien zu verstehen, die der systematischen Sammlung von Daten in der Praxis dienen. Dies erfolgt in den Sozialwissenschaften häufig mit Befragungen (Fragebogen, Interview) von Personen und der systematischen Beobachtung von Ereignissen, z.B. von Tätigkeiten.
  14. Als Kognitionen werden in der Psychologie die geistigen Funktionen wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Denken und Problemlösen, Gedächtnis, Sprache und Intelligenz bezeichnet (Zimbardo & Gerrig 2008, S. 276).
  15. Vgl. Fuchs-Rechlin (2010), GEW (2007)
  16. Siehe ausführlich Leontjew (2012), Jantzen (1992)
  17. Siehe auch Ahnert (2004), Becker-Stoll & Textor (2007), Textor (2009b)
  18. Siehe auch Viernickel (2010)

Hier finden Sie Psyche und Arbeit bei Facebook.