Ein Friedensangebot an das innere Kind

Erinnern Sie sich daran, wie Sie die Welt um sich herum als Kind wahrgenommen oder wie Sie sich gefühlt haben? Wissen Sie noch, welche Sehnsüchte und Wünsche Sie hatten, als Sie klein waren?

Die Arbeit mit dem “inneren Kind” ist seit langer Zeit ein fester Bestandteil vieler psychotherapeutischer Verfahren. Das hat einen guten Grund: Wir Menschen entwickeln die Grundzüge unserer Persönlichkeit und die dazugehörigen Reaktionsmuster in Wechselwirkung mit jenen Erfahrungen, die wir mit unseren ersten Bezugspersonen machen. Einige davon sind schmerzvoll und führen dazu, dass wir uns davor schützen wollen, ähnliches Leid erneut erleben zu müssen. Als Kind haben wir dafür allerdings nur wenige Möglichkeiten, zudem können wir viele Dinge einfach noch nicht so richtig verstehen. Und obwohl sich beides im Laufe der Zeit ändert, scheint es manchmal so, als gingen wir noch im Erwachsenenalter intuitiv davon aus, die Welt um uns herum sei so geblieben, wie wir sie einst kennengelernt haben.

Wurden unsere kindlichen Bedürfnisse in der Vergangenheit nicht hinreichend wahrgenommen bzw. hat es uns in manchen Situationen an Verständnis, Trost oder Zuwendung gemangelt, kann das tiefe Narben hinterlassen. Die gute Nachricht ist, dass man das Vermisste wenigstens ansatzweise nachreichen bzw. gezielt etwas dafür tun kann, um die verletzte Kinderseele zu trösten. Im Rahmen der Aufarbeitung meiner eigenen Vergangenheit habe ich seinerzeit mal einen Brief an jenen kleinen Jungen geschrieben, der ich einst war. Mir hat das damals jedenfalls sehr geholfen.

Lieber Rainer,

als ich in Deinem Alter war, konnte ich Dich und die Welt um Dich herum noch nicht so recht begreifen. Bitte sieh es mir also nach, dass ich deshalb viele Dinge missverstanden oder ganz anders gesehen habe, als ich es heute tue. Natürlich war es nicht immer leicht für Dich und manchmal hat es das Leben nicht besonders gut mit Dir gemeint. Wie oft warst Du traurig und fühltest Dich allein und missverstanden? Wie oft hast Du geweint, weil Du nicht sein wolltest, wie Du bist, und hast Dir ein Leben gewünscht, das Du nicht führen durftest?

Sicher, es gab damals Menschen, die in Dir etwas sehen wollten, das Du nicht warst, und die versucht haben, Dich zu jemandem zu machen, der Du nicht werden wolltest. Vieles von dem, was in Dir war, durftest Du nicht zeigen, um dazu gehören zu können. Du glaubtest, dass das, was sie an Dir nicht mögen, es nicht wert ist, gemocht zu werden. Doch Du hast Dich getäuscht. Auch wenn Du es nicht immer spüren konntest, solltest Du wissen, dass ich Dich liebe, selbst dann, wenn Du trotzig, wütend oder traurig bist. Ich werde immer für Dich da sein und mich bemühen, Dich besser zu verstehen, als ich es damals konnte, auch…

  • wenn Du manchmal gegen Windmühlen kämpfst, weil Du in anderen Menschen diejenigen siehst, gegen die Du Dich damals nicht wehren konntest,
  • wenn Du Dich selbst beschränkst, weil Du noch immer glaubst, was andere Dir als Kind erzählt haben,
  • wenn Du Dich dem verweigerst, was gut für Dich ist, weil Du Dich dann stark fühlst,
  • oder wenn Du Dich aufspielst, weil Du fürchtest, dass Dich sonst niemand beachtet.

Noch immer spüre ich Deine Angst und Deinen Zweifel an Dir selbst, an Deinen Fähigkeiten und an der Liebe der anderen Menschen. Aber ich bewundere auch Deinen Mut, durch den Du trotz allem zu dem Leben gefunden hast, das Du heute führst. Du darfst stolz auf Dich sein und Dich mögen, egal was andere über Dich denken!

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