Wie lässt sich Bewegung in ein Unternehmen bringen?

Am vergangenen Dienstag fand in Hamburg der vierte Fachkongress „Betriebliche Zukunft in Motion“ statt, wobei „Motion“ übrigens das englische Wort für „Bewegung“ ist. So lud der Betriebssport Verband Hamburg am 07.10.2014 zahlreiche Gäste aus der Wirtschaft sowie aus dem Dienstleistungsbereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements in das Congress Center ein. Einige von ihnen bekamen die Möglichkeit, sich und ihre Ideen im Rahmen von Vorträgen dem zahlreich erschienenen Publikum zu präsentieren. Selbstverständlich dienten viele der Reden vor allem auch dazu, neue Kunden zu generieren, sie waren jedoch abwechslungsreich und interessant gestaltet. Nach einem Grußwort von Bernd Meyer, dem Präsidenten des Verbandes, wurden nun also verschiedene Ansätze präsentiert, die dazu dienen sollen, die Gesundheit von Mitarbeitern langfristig zu erhalten. Stichworte wie „demographischer Wandel“ oder „Fachkräftemangel“ machten deutlich, wie wichtig dies für die wirtschaftliche Existenz bzw. für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ist. Dass der Betriebssport eine gute Möglichkeit sei, Menschen dafür zu begeistern, sich für die eigene körperliche Fitness zu engagieren, stand dabei weitestgehend im Mittelpunkt.

In der abschließenden Podiumsdiskussion stellten Vertreter namhafter Unternehmen ihre Strategien zu diesem Thema vor. Der Tenor war einstimmig: Betriebssport müsse Spaß machen! Und „niedrigschwellig“ sollten die Angebote sein, um möglichst jeden damit zu erreichen! Zudem braucht es engagierte Mitarbeiter, die sich für die Umsetzung bzw. für dessen Implementierung stark machen. Auch ein Allgemein- und Sportmediziner, Prof. Dr. Braumann, kam zu Wort. Er zeigte die aus seiner Perspektive einfache Wahrheit auf, wie wichtig es für jeden einzelnen ist, sich im angemessenen Rahmen zu bewegen und somit etwas für den langfristigen Erhalt der eigenen Leistungsfähigkeit zu tun. Schließlich müsse man ja auch mit über 60 Jahren noch körperlich fit genug sein, um den Anforderungen des Arbeitsalltags gerecht werden zu können…

Eine Frage, die sich mir während des Zuhörens aufdrängte, blieb allerdings offen: Wie kann man mit einem solchen Angebot jene Menschen erreichen, die sich nicht für Sport interessieren? Wie bekommt man die entsprechenden Mitarbeiter dazu, die Turnschuhe anzuziehen und sich nach ihrem wohlverdienten Feierabend freiwillig zu bewegen?

Einige Ideen wurden genannt:

  • Betriebssport sollte über die Führungskräfte, die ja eine Vorbildfunktion innehaben, vorgelebt und kommuniziert werden.
  • Eventuell könne es helfen, wenn diese einen gewissen Druck (z. B. über Leistungsanreize oder Belohnungssysteme) auf die Mitglieder ihrer Teams ausüben.
  • Oder man initiiert einfach einen Wettbewerb unter den Mitarbeitern, der diese dazu motiviert, sich gemeinsam bzw. gegenseitig zu aktivieren. Vor allem männliche Kollegen sollte man auf diese Weise leichter mit ins Boot holen können.
  • Zudem sollten die Angebote selbstverständlich möglichst niedrigschwellig sein.

Edgar Piel

Auch wenn sich viele Konzepte, die da so vorgetragen wurden, zunächst stimmig anhörten, blieben Zweifel an deren Wirksamkeit. Gibt es wirklich EINEN Ansatz, mit dem man tatsächlich ALLE Menschen gleichermaßen erreicht? Und wie geht man mit dem Phänomen der Reaktanz um, das bei einigen der Betroffenen immer dann ausgelöst zu werden scheint, wenn diese sich unter Druck gesetzt fühlen? Betriebssport MUSS also Spaß machen? Und wenn es den nicht macht? Was ist, wenn man bereits in der Schule im Sportunterricht von den Mitschülern gehänselt wurde, sobald man sich darum bemühte, den Anforderungen irgendeines hochmotivierten Lehrers nachzukommen und dabei kläglich versagte? Spott kann tiefe tiefe Narben in die Seele eines jungen Menschen reißen und dazu führen, dass dieser künftig stets versucht ist, ähnliche Situationen, d. h. solche, die eine Wiederholung des Erlebten nahelegen, zu vermeiden.

Umgehend kam mir die in den Medien geführte Diskussion über die „gesunde Ernährung“ in den Sinn, bei der sich irgendwelche Küchen-Gurus oder Politiker dazu berufen fühlen, der Bevölkerung Ratschläge zu erteilen oder ihr sogar vorzuschreiben, wie viel Gemüse oder Vollkornprodukte jeder täglich essen sollte oder dass z. B. die vegane Küche das „Non plus ultra“ sei. Und obwohl diese Hinweise zumindest teilweise sehr plausibel erscheinen und gerade in diesem Bereich viel für die Aufklärung getan wird, stellt sich die Frage, warum sich dann immer noch so viele Menschen mit Fastfood-Produkten und Süßgebäcken vollstopfen? Und warum nimmt dieser Trend zu und nicht ab? Aber das ist sicher ein ganz anderes Thema…

Bewegt man sich also regelmäßig, ist das gut für die Gesundheit, für die geistige Leistungsfähigkeit sowie für die Stressresistenz. Das ist alles wissenschaftlich erwiesen und längst bekannt. Stellt man sich aber nun ernsthaft die Frage, wie man den fettleibigen Herrn X. aus der Buchhaltung dazu bringt, seinen Abend nicht mit einer Tüte Chips vor dem Fernseher zu verbringen, sondern anstatt dessen z. B. um die Alster zu laufen, erschafft man m. E. gesellschaftliche Feindbilder, mit denen man bei den Betroffenen meistens wohl nicht viel mehr erreicht, als Frustration und Trotz. Jeder Mensch strebt nach Autonomie und hat den Wunsch, ernst genommen zu werden. Ausgrenzungen oder auch Reglementierungen der oben beschriebenen Art scheinen in der Regel zumindest nicht zum gewünschten Ergebnis zu führen. Jeder auch noch so gut gemeinte Ratschlag, könnte bei demjenigen, der ihn trotz besseren Wissens nicht befolgt, zu einem schlechten Gewissen führen, das wiederum Auslöser für eine Schlemmerorgie werden kann. Viele Menschen haben bereits in ihrer Kindheit „gelernt“, was sie alles nicht dürfen, nicht machen sollten oder was sie tun müssen. Mit Belehrungen ist also wahrscheinlich niemandem wirklich geholfen.

Die zentrale Frage müsste also eher lauten, wie man es schaffen kann, die Menschen für eine körperliche Aktivierung zu begeistern? Um das zu erreichen, sollte man sich mit den jeweiligen Überzeugungen der einzelnen Menschen befassen und diese dazu anregen, einen stimmigen Weg für sich zu finden, etwas für sich und für die eigene Fitness zu tun. Aber selbst wenn solche Hinweise von einem Arzt kommen, der ernsthafte Bedenken bzgl. der künftigen Arbeitsfähigkeit eines Betroffenen äußert, stellen sich oftmals motivationale Probleme ein, die ein dauerhaftes Aufrechterhalten einer sportlichen Betätigung boykottieren. Folgen dann Rückfälle in gewohnte Verhaltensmuster (z. B. Sofa & Chips) und lösen diese wiederum Schuldgefühle oder Komplexe aus, müssen auch die dann wieder irgendwie bewältigt werden. Daraus entsteht schnell ein Teufelskreis, dem man sich nur schwer entziehen kann.

Wie könnte nun also eine Lösung aussehen? Hilfreich scheint es mir zu sein, an den freien Willen der Betroffenen zu appellieren und ihnen den Raum zu geben, sich gegen ein entsprechendes Programm zu entscheiden. Dennoch ist ein gewisser Druck für eine Initialzündung sicher nützlich. Entscheidend hierbei ist allerdings, dass eine anfänglich erzeugte Motivation nicht wieder abreißt, sobald es das erste (oder zweite) Mal zu einem „Scheitern“ kommt bzw. jemand dazu neigt, sich der vertrauten Bequemlichkeit hinzugeben, frei nach dem Motto: „Was soll das eigentlich? Ich schaffe das ja ohnehin nicht. Aus mir wird nie ein richtiger Sportler!“ Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die ständigen (gefühlten) Bevormundungen oder Belehrungen einen Widerstand erzeugen, der dann im wahrsten Sinne des Wortes sehr häufig mundtot gemacht wird. Erkennt jemand jedoch einen Sinn darin, etwas für sich zu tun, und sei es auch nur jener, auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten, kann mittelfristig bei jedem einzelnen eine ganz andere Haltung dazu entstehen. Eine Idee wäre es deshalb vielleicht, die aufgrund der geringeren Krankenstände ersparten Erträge des Unternehmens in einem Topf zu sammeln und das Geld am Ende des Jahres einer gemeinnützigen Organisation zu spenden oder für eine Weihnachtsfeier bereitzustellen. Zur Berechnung könnten entsprechende Statistiken dienen, mittels derer man einen etwaigen Etat festlegt, den das Unternehmen im Falle einer adäquaten Mitwirkung der Mitarbeiter dafür vorhält. So könnte man jede diesbezügliche Aktivität mittels eines Systems erfassen (z. B. ½ Stunde Gymnastik im Gemeinschaftsraum = 1 Punkt) und auf diese Weise einen kontinuierlichen Anstieg der Beteiligung bewegen. Führungskräfte, die sich natürlich selbst möglichst vorbildlich engagieren, könnten am schwarzen Brett Schaubilder aufhängen, die ihren Mitarbeitern aufzeigen, welcher Kollege wie viel für den gesammelten Betrag geleistet hat. Dadurch entstünde eine subtile Art sozialer Druck, der niemandem schadet, sollte sich jemand nicht an dem Projekt beteiligen wollen.

Auf diese Weise verringert sich der Krankenstand in Ihrem Unternehmen, Ihre Mitarbeiter fühlen sich kontinuierlich wohler und werden zudem leistungsfähiger. Eine schöne Utopie, oder?!

www.bsv-hamburg.de

Sie wollen Ihre Mitarbeiter für den Betriebssport begeistern? Lassen Sie sich gern individuell vom Betriebssport Verband Hamburg beraten. Neben den klassischen Angeboten gibt es selbstverständlich auch diverse niedrigschwellige Möglichkeiten, Ihre Mitarbeiter in Bewegung zu bringen (z. B. „Tennis leicht gemacht“ oder einen Gymnastikkurs für Mollige etc.).

Ansprechpartnerin beim Verband ist Frau Melanie Gutzeit: 040 / 23857962.

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