Rezension: „Die Öffnung des 3. Auges“ von Ulrich Warnke

Quantentheorie und Neurobiologie gehören nicht gerade zu jenen Themen, mit denen ich mich im Rahmen einer Rezension besonders gern beschäftige. Schnell komme ich nämlich an meine Grenzen, wenn es darum geht, die Darstellung entsprechender Modelle im Detail nachzuvollziehen, um mir eine Aussage darüber zu erlauben, für wie stimmig ich sie halte. Dieser kritischen Selbsteinschätzung hatte ich es zu verdanken, dass ich eine ganze Weile brauchte, bis ich mich dazu aufraffen konnte, das auf meinem Nachtschrank liegende Buch tatsächlich zu lesen… Die Sorge, dass ich wahrscheinlich viele Aussagen (wieder einmal) kaum oder nur mit sehr viel Mühe verstehen würde, war allerdings unnötig.

Schon „Quantenphilosophie und Interwelt“ empfand ich ungeheuerlich verstörend. Im Gedächtnis geblieben sind mir einige Fragen, die dieses Buch damals bei mir aufgeworfen hat: Wie lassen sich die Erkenntnisse des Autors praktisch nutzen? Was kann man tun, um an die Informationen zu gelangen, über die das Selbst angeblich verfügt und die im Alltag normalerweise nicht zugänglich sind? Antworten darauf hoffte ich jetzt in dem neuen Werk von Dr. Ulrich Warnke zu finden.

Zunächst einmal musste ich mich darauf einstellen, dass die Worte „Ich“ und „Selbst“ in dem von ihm postulierten Modell eine besondere Bedeutung haben und die Unterscheidung zwischen „bewusst“ und „unbewusst“ etwas seltsam ist: „Alles, was vom Ich nicht erkannt wird, ist unbewusst, was bedeutet, dass es zwar auch von einem Bewusstsein informativ erzeugt, aber nicht dem Ich zur Kenntnis gebracht wird.“ Obwohl die Schlussfolgerungen zum Teil gänzlich anders sind als jene, die beispielsweise dem Modell von Julius Kuhl zugrunde liegen, konnte ich hier und da Parallelen entdecken. So sagt der Autor auf Seite 34, dass der „notwenige Verrechungsprozess unzähliger Informationen, [ihre] Deutungen und die nachfolgenden Entscheidungen […] im unbewussten Selbst erledigt [werden] und nur die Essenz […] im Ich-Bewusstsein [erscheint].“ Vergleichbares postuliert ja auch die PSI-Theorie. Immerhin soll ja auch das Extensionsgedächtnis auf Informationen bzw. Erfahrungen Zugriff haben, die weitaus älter sind als das betreffende Individuum. Die Brücke, die in „Die Öffnung des dritten Auges“ errichtet wird, um Spiritualität und Wissenschaft miteinander zu verbinden, besteht aus zahlreichen Berichten und Studien, die sich mit Phänomenen wie Trance, luziden Träumen, Hypnose, Meditation, Nahtod-Erfahrungen und psychoaktiven Stoffen beschäftigen.

Inwieweit es nun aber gelingen kann, auf einem dieser Wege Einblicke in die Interwelt zu erlangen, scheint von vielen Faktoren abzuhängen, die in den folgenden Abschnitten genauestens erläutert werden. Hierin geht es um die Funktionen und Wirkmechanismen der Zirbeldrüse sowie um Substanzen, die ihre Aktivität stimulieren, um quantenphilosophische Aspekte und letztendlich um Möglichkeiten, wie sich Zensor und Autopilot unseres Bewusstseins bzw. unserer Vernunft abschalten lassen. Das mag zwar zunächst etwas befremdlich klingen, vieles davon erscheint mir allerdings persönlich sehr plausibel. Da ich bspw. über das Phänomen der Nahtod-Erfahrung sowie mit den psychoaktiven Wirkungen einiger Substanzen, über die berichtet wird, bereits einiges gelesen habe und ich mich zudem seit geraumer Zeit intensiv mit dem Konzept der Achtsamkeit beschäftige, konnte ich den Ausführungen von Dr. Warnke gut folgen und kaum etwas finden, dem ich widersprechen würde. Sogar die Herleitung der m. E. sehr gewagten Hypothese, dass Empfindungen oder Gefühle der Interwelt zuzuordnen seien, konnte ich trotz anfänglicher Skepsis – hier spürte ich den größten Widerstand – nachvollziehen und als eine Besonderheit in der Wirklichkeitskonstruktion des Autors anerkennen. Zwar bin ich mir nicht sicher, inwieweit die Annahmen des Autors einer kritischen Überprüfung tatsächlich standhalten, interessant sind sie aber allemal.

Übrigens habe ich wohl bereits während meiner Kindheit schon einen Weg gefunden, wie ich meine Zirbeldrüse aktivieren kann. Am einfachsten funktioniert es, wenn ich einen Finger ganz langsam an den mittleren Bereich meiner Stirn heranführe, bis er die Haut kaum merklich berührt (und ihn dann wieder etwas wegziehe). Daraufhin spüre ich eine Art angenehmen Druck in dieser Region sowie ein sonderbar vitalisierendes Wohlgefühl. Aber das gehört vielleicht gar nicht hierher…

Auch der Schreibstil gefällt mir außerordentlich gut. Fachbegriffe, die man als Laie vielleicht nicht unbedingt kennt, werden erklärt. Wenn Sie mich jetzt bspw. fragen würden, was es mit dem „Zwischenzustand der Hypnagogie“ auf sich hat, könnte ich Ihnen das jedenfalls ohne Weiteres beantworten. An vielen Stellen des Buches ermöglicht es der Autor seinen Lesern, seine Gedankenkonstruktionen Schritt für Schritt nachzuvollziehen, wobei er auf unnötige Ausschmückungen seiner Thesen sowie auf diffus bleibende Behauptungen verzichtet. Jede Aussage wird begründet und/oder mit Hinweisen auf wissenschaftliche Studien oder Erfahrungsberichten untermauert. Wer erfahren möchte, wie Dr. Warnke die Quantenphilosophie versteht, und nach Möglichkeiten sucht, mit seinen Vorstellungen (ganz praktisch) zu experimentieren, wird mit Sicherheit nicht enttäuscht. Zahlreiche Exkursionen in die Gebiete der Philosophie, der Theologie und die Psychologie bzw. Psychotherapie runden das Werk inhaltlich ab. Die Zusammenfassungen am Ende einzelner Abschnitte erleichtern es zudem enorm, das Wesentliche selbst dann nicht aus den Augen zu verlieren, wenn es mal kompliziert wird.

Als sehr wohltuend empfand ich es, dass er bei der Ausformulierung seines Wirklichkeitsmodells keine Behauptungen macht, die den Eindruck erwecken, als würde es sich hierbei um unumstößliche Wahrheiten handeln, sondern er stets darauf hinweist, sobald er „lediglich“ Hypothesen bzw. „spekulative Interpretationen“ aus seinem bisherigen Kenntnisstand ableitet. Äußerst überrascht war ich, wie sehr mich die Lektüre in ihren Bann gezogen hat. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen habe ich die 370 Seiten nahezu „verschlungen“. Unterbrochen wurde der Lesefluss lediglich durch einige Pausen, die ich mal zum Meditieren und mal zum Reflektieren genutzt habe. Der Autor hat es also wieder geschafft, meine Fantasie auf eine Weise zu beflügeln, wie ich es sonst kaum kenne.

In dem Buch findet sich übrigens auch eine Klang-CD, die zur Meditation genutzt werden kann. Obwohl ich mir unter „Photonica-Feldern“ nur wenig vorstellen kann, hat sie ihren Zweck ganz wunderbar erfüllt – zumindest bei mir. Track 1 sollte zu einer Aktivierung des präfrontalen Cortex sowie zur Ruhestellung der Körperperipherie beitragen, Track 2 eine Tiefenentspannung erleichtern und Track 3 die Vigilanz und Motivation stärken, um den Alltag erneut anzugehen bzw. um das Erwachen aus der Interwelt harmonisch zu gestalten.

Man könnte mich jetzt fragen, warum ich als Psychologe überhaupt ein solches Buch lese und es sogar rezensiere? Die Antwort ist ganz einfach: Die Gedanken von Dr. Warnke sind im wahrsten Sinne des Wortes „fantastisch“ und unglaublich inspirierend!

Ulrich Warnke (2017). Die Öffnung des 3. Auges. Quantenphilosophie unseres Jenseits-Moduls. Scorpio Verlag.

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