Quantenphilosophie und Interwelt

„Das Spannende ist, dass der Mensch mit seinem Bewusstsein auf die Interwelt zugreifen kann, um seine Alltagswelt besser gestalten zu können.“ So verspricht es zumindest der Klappentext. Wie das funktioniert, habe ich zwar nicht verstanden, dennoch war es ein spannendes Experiment, den Gedanken des Autors zu folgen!

Wer „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende kennt, kann ungefähr nachempfinden, wie es mir beim Lesen erging. In „Quantenphilosophie und Interwelt“ beschreibt Dr. Ulrich Warnke ausführlich, wie es um unsere Wahrnehmung und um unsere Wirklichkeit bestellt ist bzw. dass eigentlich alles nur eine Illusion ist, die wir uns mittels unseres Bewusstseins aus dem Raum der Möglichkeiten heraus selbst erschaffen. Er lädt dazu ein, unser klassisches Bild der Welt in Frage zu stellen und mittels unserer geistigen Kraft gestalterisch auf sie einzuwirken. Auf über 350 Seiten geht der Autor in dem Buch vor allem der Frage nach, wie wir gezielter auf den Raum aller Möglichkeiten zugreifen können. Es liest sich wie eine Mischung aus einem Fachbuch und einem Science-Fiction-Roman, ist also informativ und spannend zugleich. Mit Akribie versucht er, jede einzelne seiner Annahmen über die geistige Natur des Menschen zu belegen. Seine Beweisführung beginnt zunächst mit der Darstellung wissenschaftlich dokumentierter Phänomene und bekannt gewordener Berichte übersinnlicher Erfahrungen, die er quantenphilosophisch interpretiert, um dem Leser einen Paradigmenwechsel zu ermöglichen und um ihm Werkzeuge an die Hand zu geben, diese Erkenntnisse für das eigene Leben zu nutzen. Besonders plausibel sind hierbei seine Ausführungen über den Placebo-Effekt und über die Selbstheilungskräfte mittels der Autosuggestion. Anders als in den meisten mir bekannten Büchern, die sich mit Savants, Synesthetikern, Telekinese oder Telepathie befassen, bleibt er dabei stets relativ kritisch und führt zahlreiche Studien an, die von namhaften Instituten und Forschern durchgeführt wurden. Erfahrungsberichte, deren Wahrheitsgehalt nicht überprüfbar ist, werden dabei lediglich als mögliche Indizien betrachtet. Dieses Buch führt in die Grenzgebiete unseres Daseins und zog mich viele Stunden in den Bann. Bemerkenswert sind die vielen Bezüge zur Quantenphysik und ihrer berühmten Vertreter wie Wolfgang Pauli, Werner Heisenberg, Albert Einstein, Erwin Schrödinger etc., deren grundlegende Aussagen er mit einer fesselnden Leichtigkeit in das von ihm postulierte Modell integriert. Anspruchsvoll wird das Buch vor allem aufgrund der umfangreichen Erörterungen zu Aspekten aus den Bereichen der (Neuro-)Physiologie und Astronomie sowie durch die Erklärungen des quantentheoretischen Atommodells und dem, was sich daraus seines Erachtens nach ableiten lässt.

„Die Quantentheorie warf die Frage auf, ob die Natur bloße Materie ist oder ob ein geistiges Prinzip in ihr wirkt?“

Wie ist die Welt aber nun beschaffen? Die Inhalte unserer Wahrnehmung sind ihm zufolge nur ein Spiegel unserer unbewussten und bewussten Erwartungen. Auch Raum und Zeit sind keine faktischen Gegebenheiten, sondern lediglich Hilfskonstruktionen, die wir zur Orientierung in der materiellen Welt benötigen. Gestützt wird diese Annahme u. a. mit der Heisenbergschen Unschärferelation bzw. durch die Aussage, dass jede Beobachtung abhängig ist vom Beobachter. Unsere Erfahrungen folgen erlernten Wahrnehmungsrastern, wobei die Frage nach dem Nutzen dessen, was uns begegnet, wie eine Art Zensor wirkt, der darüber bestimmt, was uns bewusst wird. Diese Raster werden vom Cortex so kontrolliert, dass uns der Zugang zu dem Eigentlichen weitestgehend versperrt bleibt. Alles, was der Geist über das Bewusstsein neu erschafft, wird unmittelbar in der Interwelt als Informationsmuster gespeichert. Obwohl wir nur aus Materie zu bestehen scheinen, könnten wir aufgrund unserer geistigen Verbindung mit dem Universum prinzipiell jede Information, die dort hinterlegt ist, mühelos abrufen und sie uns in der Alltagswelt nutzbar machen. Die Quelle all dessen, was möglich ist, sieht Dr. Warnke in der sogenannten Einheitswelt, in der allerdings kein gewohntes Erleben möglich ist, abgesehen von der „Erfahrung absoluter Ruhe und universeller Stille“. Da aber alle diese drei Welten in uns Menschen existieren und die Übergänge fließend sind, befinden wir uns „an der Schnittstelle des materiellen Diesseits und der immateriellen Interwelt“ und können sie aktivieren, um zu höchster Weisheit und Erkenntnis zu gelangen, und somit eine spirituelle Transformation erfahren. Weltberühmte Komponisten, Maler aber auch Forscher nutzten diese Möglichkeit als Quelle der Inspiration, indem es ihnen gelang, einen Zugang zur Interwelt zu finden.

Wie die Loslösung vom materiellen Diesseits grundsätzlich funktioniert, wird z. B. durch Träume und Erinnerungen nachvollziehbar. Insbesondere die Meditation und das luzide Träumen können als Schlüssel zur Bewusstseinserweiterung betrachtet werden. Hierauf geht der Autor sehr ausführlich ein. Aber auch Nahtoderfahrung und (körpereigene) Drogen wie DMT ermöglichen einen Zugang zur Interwelt. Der Autor gewährt dem Leser zahlreiche Einblicke in die Vorstellungen verschiedener Naturvölker und Religionen, in die Welt der Engel und Dämonen sowie in das tiefenpsychologische Modell von C. G. Jung. Im zweiten Teil wird der Leser eingeladen, Dr. Warnke auf einer Expedition in die Interwelt zu begleiten, in der weder Zeit noch Raum existieren und in der alles möglich ist. Im Zentrum seiner Betrachtung steht die Bewusstseinsenergie, „die identisch mit geschalteter Dunkler Energie und Dunkler Materie sowie Higgisfeld ist“, wobei das Bewusstsein als Scharnier für die Übertragung der Informationen des universellen Geistes fungiert, dessen Schaltung über den Willen geschieht, der wiederum die Schwache Kraft aktiviert, die dann die Spins beeinflusst. Diesen Prozess beschreibt er schrittweise und sehr detailliert über viele Seiten. Anschließend sucht er eine Antwort auf die Frage, ob es eine Art „Lebensformel“ gibt, und erläutert im dritten Teil des Buches, wie eine geistige Revolution vollzogen werden könne und welche Ziele mit dem Eintreten in die Interwelt verfolgt werden sollten. Um diesen Zugang zu ermöglichen, hält das Buch eine praktische Anleitung für eine entsprechende Meditationsübung bereit.

Der Autor betont, dass alles, was er in diesem Buch beschreibt, als Modell zu verstehen ist, im Sinne von „so könnte es funktionieren“, wobei er seine persönlichen Erfahrungen als Beweis für dessen Plausibilität betrachtet. Imposant ist, dass es ihm trotz der Vielzahl der Quellen, aus denen er das jeweilige Extrakt zusammenstellt, und der Komplexität seiner Darstellungen gelingt, seine Sichtweise klar zu formulieren und sie so einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Der Leser bekommt einen umfassenden Einblick in viele Themengebiete, die in dem Grenzbereich zwischen Wissenschaft und Spiritualität bereits untersucht wurden. Leider reichen mein naturwissenschaftliches und astronomisches Wissen nicht aus, um auch nur annähernd beurteilen zu können, inwieweit die Ausführungen des Autors aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen oder wie die von ihm zur Untermauerung seiner Thesen angeführten Studien zu bewerten sind. Nicht jedem seiner Gedanken konnte ich widerstandslos folgen. Da es mir aber ein Anliegen war, mich in der Vorweihnachtszeit zur Abwechslung einmal mit etwas zu beschäftigen, das mit meinen beruflichen Themen nichts zu tun hat, kamen mir seine Erläuterungen über die Interwelt gerade recht. Beim Lesen dieses Buches bin ich meinem Alltag jedenfalls auf faszinierende Weise entrückt! Unabhängig davon, ob man den Gedanken des Autors in jeder Hinsicht zustimmen mag, ist es im höchsten Maße inspirierend. Für die Beschreibung seines Konstruktes unserer Welt bereitet er ein komplexes und fundiertes – auf mich teilweise befremdlich wirkendes – Wissen auf verständliche Weise auf. Obwohl ich z. B. mit Engeln, Dämonen und Geistern wenig anzufangen weiß, empfand ich es als Bereicherung, mich auf das Gedankenspiel einzulassen. Meine Sicht auf die Welt hat sich dadurch ein klein wenig verändert. Mutig finde ich auch den Versuch des Autors, sein Verständnis einer Schöpfungsmacht (also eine Art „Gottesvorstellung“) zu Papier zu bringen, womit er sich vermutlich gerade in konservativen Kreisen Kritik einhandeln wird. Bestärkt hat mich Dr. Warnke vor allem darin, mit meinen Gedanken vorsichtiger umzugehen und mich weiterhin intensiv mit meinem eigenen Lebensentwurf zu befassen. Einige Fragen, die das Buch aufgeworfen hat, werden mich noch eine Weile beschäftigen… Alles hat eine Bedeutung! 😉

Mein Fazit: Das Buch bietet dem Leser einen äußerst fundierten, spannenden und fantastischen Ausflug in die Welt der Grenzwissenschaften!

Quelle:

  • Ulrich Warnke (2013). Quantenphilosophie und Interwelt: Der Zugang zur verborgenen Essenz des menschlichen Wesens. Scorpio Verlag.

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