Rezension: „IntrovisionCoaching“ von Ulrich und Renate Dehner

Lassen sich im Rahmen eines Coachings tief sitzende und blockierende Verhaltensmuster dauerhaft auflösen und somit in kurzer Zeit (selbst bei scheinbar schwierigen Fällen) nachhaltige Veränderungen bewirken?

introvisioncoaching-coverUlrich und Renate Dehner, die u. a. das Buch „Transaktionsanalyse im Coaching“ herausgebracht haben, scheinen sich in dem vorliegenden Werk darum zu bemühen, einen neuen Begriff in die Coaching-Landschaft einzuführen: „IntrovisionCoaching“. Dieser Name lehnt sich an eine Methode an, die an der Universität Hamburg entwickelt wurde. Die Eigenleistung der Autoren besteht darin, dieses Verfahren im Sinne einer Kurzzeit-Intervention für das Coaching weiterentwickelt zu haben. Hierbei werden transaktionsanalytische Modelle (Lebensskripte, Ich-Zustände, Antreiber und Einschärfungen) herangezogen und in eine (für mich nachvollziehbare) strukturierte Vorgehensweise eingebunden. Angewendet werden kann sie immer dann, wenn bspw. Blockaden oder Ängste bei Klienten auffindbar sind, die ihren Ursprung häufig in der Kindheit und (noch nicht) zu einer psychischen Erkrankung geführt haben.

Zentrales Element ist der sogenannte „subjektive Imperativ“, also eine Art „innere Stimme, die befiehlt, dass etwas auf eine ganz bestimmte Art und Weise geschehen muss bzw. dass etwas auf gar keinen Fall geschehen darf, und die gleichzeitig verlangt, dass von dieser Vorstellung nicht abgewichen werden darf“ (S. 78). Die Bedeutung der Imperative wurde bereits in der Transaktionsanalyse erkannt. Einschärfungen und Antreiber sind dort entsprechend formuliert.

Dass es zwei Ebenen der Informationsverarbeitung gibt, nämlich das epistemische (sprich: das „langsame“ oder bewusste) sowie das introferente (über die Amygdala gesteuerte, „schnelle“) System, wird zunächst (in seiner Bedeutung) genauer erläutert. Dargestellt werden zudem gängige dysfunktionale Bewältigungsstrategien („Positives Denken“, Ablenkung, Jammern, Analysieren und Vermeiden) und es wird aufgezeigt, was das Besonderes des IntrovisionCoachings ist bzw. womit sich dessen außergewöhnliche Wirksamkeit begründen lässt. Dem uneingeschränkten Optimismus von Ulrich und Renate Dehner, dass sich mit einem solchen Vorgehen sogar Lebensskripte manchmal in nur einer oder wenigen Sitzungen auflösen bzw. verändern lassen, was auch erfahrenen Psychotherapeuten oftmals überhaupt nicht gelingt, begegne ich zwar mit einer gewissen Skepsis, dennoch würde ich dem nicht unbedingt widersprechen wollen. Auch ich habe bereits mehrfach die Erfahrung machen dürfen, dass es durchaus möglich ist, (vermeintlich „veränderungsresistenten“) Klienten dabei zu helfen, Reaktions- und Verhaltensmuster, die sich als hinderlich erweisen, innerhalb kürzester Zeit nachhaltig zu modifizieren.

Sehr gut gefallen hat es mir, dass die vorgeschlagene Vorgehensweise in diesem Buch systematisch dargestellt und mit zahlreichen praktischen Beispielen untermauert wurde. Da hierbei auch Aspekte beleuchtet werden, die jedem Coach eigentlich hinreichend bekannt sein sollten (z.B. die Trennung von „Problem“ und „Ereignis“), eignet sich die Lektüre auch für unerfahrenere Leser/-innen. Interessant fand ich es zudem, dass beim IntrovisionCoaching (im Gegensatz zu vielen anderen Methoden) nur wenig paraphrasiert (vgl. Carl Rogers), sondern vornehmlich mit den Worten bzw. dem Sprachgebrauch der Klienten gearbeitet wird. Erklärt wird auch, warum das sinnvoll ist und wie man das genau umsetzen kann. Des Weiteren sollte man es bei Anwendung dieser Methode vermeiden, nach Begründungen (oder „guten Gründen“) für den dysfunktionalen Imperativ zu fragen, da dies eine (heilsame) „spontane Einsicht“ verhindern und zu dessen Zementierung führen könnte. Auch das Thema „Achtsamkeit“ kommt bei den Übungen zur Selbstwahrnehmung nicht zu kurz und spielt (vergleichbar mit der „awareness“ in der Gestalttherapie) ein wichtige Rolle.

Obwohl mir die meisten Inhalte bereits aus dem vorherigen Buch („Transaktionsanalyse im Coaching“) vertraut waren, hat sich die Anschaffung gelohnt. Es zeigt eine (in gewissen Teilen neuartige) Systematik auf, die in einigen Fällen sehr hilfreich sein kann. Nützlich erscheinen mir für die Arbeit mit entsprechenden Anliegen von Klienten vor allem die vier zentralen Fragen zu sein: Was löst bei dieser Person den Stress aus? Was ist das eigentlich Schlimme an der Situation? Was, glaubt sie, darf auf keinen Fall passieren? Was, glaubt sie, muss auf jeden Fall passieren? Als Online-Materialien werden leider lediglich eine Kurzanleitung für einen der grundlegenden Arbeitschritte sowie einige Übungen zur weiten Wahrnehmung bereitgestellt. Beides ist aber auch schon in dem Buch selbst zu finden, also eigentlich unnötig.

Fazit: Aufgrund des leicht verständlichen Schreibstils, der vielen Beispiele sowie der guten Struktur und Systematik ist „IntrovisionCoaching“ folglich eine wunderbare Ergänzung für den eigenen Handwerkskoffer.

Ulrich & Renate Dehner (2016). IntrovisionCoaching. managerSeminare Verlags GmbH.

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