Die Inseln der Glückseligkeit

Kennen Sie das Gefühl, das entsteht, wenn man – obwohl man sich wahrhaftig um ein Vorankommen bemüht – irgendwie nur noch auf der Stelle zu treten scheint? Beschreiben ließe sich ein solcher Zustand m. E. gut wie folgt: „Man fühlt sich, als wäre man in der Mitte eines Meeres, umgeben von verschiedenen Inseln der Glückseligkeit, auf die man gern zusteuern würde. Doch so sehr man sich auch anstrengt bzw. egal, in welche Richtung man sich zu bewegen versucht, man kommt auf keiner dieser Inseln an.“ Die Inseln stehen hier stellvertretend für erstrebenswerte Ziele. Ist man also mit einigen (vielleicht ganz wesentlichen) Aspekten des eigenen Lebens unzufrieden, sieht aber fast nur noch „Baustellen“ um sich herum, kann das dazu führen, dass man allmählich handlungsunfähig wird. Das in diesem Artikel vorgestellte Coaching-Tool kann in solchen Situationen hilfreich sein.

  • Anlass bzw. Thema: „Ich habe das Gefühl, nirgendwo wirklich anzukommen.“
  • Material: Großes Blatt Papier (DIN A3), Ressourcen-Karten (z. B. die ZRM-Bildkartei von Maja Storch)

www.manfred-evertz-art.com

In dieser Übung geht es also darum, Klarheit darüber zu erlangen, wohin die Reise eigentlich gehen soll und was einen bislang daran gehindert hat, das gewünschte Ziel zu erreichen.

Schritt 1: Lebensbereiche und Zukunftsvisionen

Zunächst sollte das Problem („Unzufriedenheit mit der aktuellen Lebenssituation“) in seine einzelnen Bestandteile bzw. Problemfelder zergliedert werden, um es überschaubarer zu machen. Für die verschiedenen Aspekte des Problemkonglomerats werden daraufhin Zukunftsvisionen („Wie stelle ich mir eine optimale Lösung vor?“) entwickelt, die sich anschließend mit Ressourcen-Karten visualisieren lassen. Das wiederum hat den Zweck, die entsprechenden Ziele emotional aufzuladen.

  • Nehmen Sie sich ein größeres Blatt Papier (DIN-A3) und zeichnen Sie sich in die Mitte.
  • Schreiben Sie jene Lebensbereiche drumherum, die Ihnen wichtig sind und bei denen Sie den Wunsch haben, endlich „anzukommen“.
  • Überlegen Sie sich jetzt für jeden dieser Lebensbereiche, wie eine ideale Zukunft aussehen könnte. Was genau wünschen Sie sich? Was sollte sich verändern?
  • Wählen Sie daraufhin für jeden dieser Lebensbereiche eine Karte aus, die mit Ihrer Zukunftsvision in Resonanz geht und legen Sie diese auf die entsprechende Stelle des Blattes.

Tipp: Lassen Sie die Auswahl der Karten kommentieren und hören Sie dabei aufmerksam zu. Auf diese Weise erhalten Sie in der Regel interessante Einblicke in die Wirklichkeitskonstruktionen Ihrer Klienten/-innen, die Sie im weiteren Verlauf des Gesprächs aufgreifen und hinterfragen können. Es ist übrigens zu empfehlen, ein Foto von dem entstandenen Bild zu machen.

Schritt 2: Hinterfragung der Konfliktfelder

Wenn wir etwas erreichen wollen, es aber nicht gelingt, steckt nicht selten ein innerer Konflikt dahinter, der zunächst aufgelöst werden will. Bitten Sie Ihre Klienten/-innen nun also, sich zu jeder der Karten (bzw. zu jeder Zukunftsvision) folgende Fragen zu stellen:

  • Was will ich? Was ist mir wichtig, um glücklich oder wenigstens zufrieden zu sein? Wie stelle ich mir meine erwünschte Zukunft konkret vor? Formulieren Sie für jeden Lebensbereich fünf zentrale Aspekte!
  • Was fehlt? Was brauche ich noch, um das Gefühl zu haben, angekommen zu sein? Welchen Mangel spüre ich? Finden Sie ein passendes Wort dafür!
  • Was trennt mich? Was hält mich davon ab? Welches Gefühl steht dazwischen? Spüren Sie in dieses Gefühl hinein! Lassen Sie es einmal bewusst zu und schauen Sie, was es Ihnen sagen möchte!
  • Darf ich? Angenommen, Sie könnten sofort dorthin gelangen, würden Sie sich das erlauben? Oder gibt es ein Gebot, gegen das Sie verstoßen müssten?
  • Was erlaube ich mir nicht? Was verbietet es Ihnen, Ihr Glück zu finden? Was müssten Sie möglicherweise dafür aufgeben bzw. was könnten Sie auf dem Weg dorthin verlieren? Wozu wären Sie auf keinen Fall bereit? Formulieren Sie entsprechende Gebote und Verbote.

Tipp: Natürlich ist nicht immer jede der Fragen gleichermaßen zweckmäßig. Die Grundregel, dass jedes Gespräch einen individuellen Verlauf hat, an den ein Tool angepasst werden muss, damit es nützlich und hilfreich ist, gilt folglich auch hier. Vertrauen Sie also Ihrer Intiution und wählen Sie jeweils nur jene Fragen aus, die Ihnen hinsichtlich des entsprechenden Problemfelds zielführend zu sein scheinen. Erfahrungsgemäß macht es zudem Sinn, sich vage oder unklare Antworten genauer erläutern zu lassen (z. B. mit Konkretisierungs- oder Verflüssigungsfragen). Achten Sie dabei auch auf bedeutsame Aussagen sowie auf die emotionalen Reaktionen und heben Sie diese ggf. besonders hervor, indem Sie sie paraphrasieren bzw. verbalisieren.


Exkurs: Paraphrasieren & Verbalisieren

Beim Paraphrasieren geht es darum, die Äußerungen des Klienten mit eigenen Worten zu wiederholen bzw. zusammenzufassen. Dadurch lässt sich überprüfen, ob das Gesagte richtig verstanden wurde. Zudem lässt sich das, was besonders bedeutsam zu sein scheint, deutlicher hervorheben, um es bewusster zu machen. Beim Verbalisieren geht es hingegen darum, auf emotionale Reaktionen zu achten, also jene Gefühle zu verstehen und zur Sprache zu bringen, die zwar gezeigt, aber nicht explizit benannt werden.


Schritt 3: Auflösung der Blockaden

In dieser Phase geht es darum, mit den Ergebnissen aus dem 2. Schritt weiterzuarbeiten, um Lösungen zu entwickeln. Vorab bietet es sich an, nach möglichen Gemeinsamkeiten oder Parallelen zu schauen, die den verschiedenen Problemfeldern zugrunde liegen.

  • Wie lassen sich Ihre Blockaden lösen? Stehen Sie überhaupt zur Disposition? Welche Sichtweise ist hilfreich, um sie auszuräumen oder um sie durchlässiger zu machen? Formulieren Sie ggf. Erlaubnisse, die sich stimmig für Sie anfühlen.
  • Welche Entwicklungsaufgaben sehen Sie? Was können Sie konkret dafür tun, um sich dem jeweiligen Ziel anzunähern?
  • Wie können Sie sich selbst „grünes Licht“ dafür geben? Formulieren Sie Ihr persönliches „Go!“-Signal (z. B. in der Form eines Mottosatzes).
  • Mit welchen Problemen ist bei der Umsetzung Ihres Vorhabens am ehesten zu rechnen? Welche Hindernisse könnten Ihnen dabei im Weg stehen? Entwickeln Sie schon im Vorfeld sogenannte „Wenn-dann“-Pläne, die ihnen dabei helfen, sie im Falle eines Falles aufzulösen oder zu überwinden

Tipp: Richten Sie den Fokus immer wieder auf die Gefühlsebene, da diese für die Aufdeckung und Klärung innerer Konflikte sowie für die Herausarbeitung und Stärkung der Motivation besonders bedeutsam ist.


Exkurs: Mottosatz

Dieser Begriff wird u. a. in dem Zürcher Ressourcen Modell ® verwendet. Maja Storch sagte hierzu in etwa Folgendes: “Ein Motto-Satz ist dann gut, wenn der- oder diejenige, der oder die ihn für sich entwickelt hat, „glückselig grinst“, sobald er oder sie sich daran erinnert.”

Literatur: Maja Storch & Frank Krause (2007). Selbstmanagement-ressourcenorientiert. Grundlagen und Trainingsmanual für die Arbeit mit dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM). 4. vollständig überarbeite Auflage. Verlag Hans Huber.


Schritt 4: Zusammenfassung der Ergebnisse

Fassen Sie die wesentlichen Erkenntnisse abschließend nochmals zusammen:

  • Welche Einsichten haben Sie gewonnen?
  • Welche Ideen haben Sie entwickelt?
  • Welche Entwicklungsaufgaben sehen Sie?
  • Was sind Ihre nächsten Schritte?

Tipp: Bitten Sie Ihre Klienten/-innen darum, die wichtigsten Erkenntnisse schriftlich festzuhalten, damit sie nicht so schnell in Vergessenheit geraten. Bei der Formulierung der nächsten Schritte sollten Sie sich an dem Motto „Weniger ist mehr!“ orientieren, um die Wahrscheinlichkeit, dass sich Ihre Klienten/-innen eventuell überfordern, möglichst gering zu halten.

“In einem Meer voll Schwierigkeiten liegt immer eine Insel der Möglichkeiten.” Unbekannter Verfasser

Literaturempfehlung:

  • Frank Krause & Maja Storch (2017). Ressourcen aktivieren mit dem Unbewussten: Die ZRM-Bildkartei – Bildformat DIN A6 (2. überarbeitete Auflage). Verlag Hans Huber.

Hier finden Sie Psyche und Arbeit bei Facebook.